Er steuerte das Flüchtlingsschiff Lifeline
Kapitän Claus-Peter Reisch ist Mechaniker und Helfer.

Es sind nur 39 Sekunden auf Youtube. Doch sollte man jemals in Seenot geraten, hofft man nach diesem Video, es wäre Claus-Peter Reisch, der einen dann retten würde. Ruhig steht er da vor der Brücke seines Schiffes, im Hintergrund sitzen die Geflüchteten auf der Reling. Ruhig schildert Reisch auch, die Lage an Bord sei «stabil». Und er liefert einen Abriss der Flüchtlingspolitik Europas: «Die Weltpolitik wird auf dem Rücken dieser Menschen ausgetragen.»
Kapitän Reisch (57) hat das Video irgendwann in den vergangenen Tagen aufgenommen, als sein Schiff, die Lifeline, mit mehr als 230 Geflüchteten an Bord vor Malta kreuzte. Eine Woche dauerte die Odyssee, am Mittwoch durfte das Schiff im Hafen der maltesischen Hauptstadt Valetta festmachen. Er habe in den letzten Tagen kaum mehr als drei Stunden geschlafen, sagt Reisch. Jetzt würde er sich gerne hinlegen: «Aber ich muss noch einmal zur Polizei.»
Dabei gäbe es auf dem Schiff nach einer Woche auf hoher See genug zu tun. Reparaturen für 15 000 Euro stünden an, und überhaupt müsse «erst mal wieder aufgeräumt werden». Denn das Schiff der Hilfsorganisation Mission Lifeline ist zwar für die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot ausgebaut. Doch es ist nur für 50 Passagiere ausgelegt; Reisch nennt sie «Gäste». Mitsamt der Besatzung waren in dieser Woche fast 250 Menschen an Bord. «Wir haben hier in einer kleineren Apartmentküche 500 Essen am Tag gekocht», erzählt Reisch.
Video: Lifeline erreicht Hafen auf Malta
Italiens Innenminister Matteo Salvini machte Reisch und die Lifeline zum Exempel seiner Abschottungspolitik und verweigerte dem Schiff einen sicheren Hafen; die Besatzung transportiere «Menschenfleisch» und erledige das Geschäft der Schlepper, sagte Salvini. Der deutsche Innenminister Horst Seehofer nutzte das Schiff, um seinerseits Härte zu zeigen: Er sehe keine Notwendigkeit, dass Deutschland diese Flüchtlinge aufnehmen solle.
All das habe er «nur am Rande mitbekommen», sagt Reisch. Auf dem Meer gibt es keinen Handyempfang. Und überhaupt: «Wie soll man mit einem reden, der sagt, wir transportierten Menschenfleisch?» Reisch hat Salvini angeboten, ihn auf dem Schiff zu besuchen, dann «kann er sich die Wasserleichen, die im Mittelmeer schwimmen, mal anschauen». Das Argument, Rettungsmissionen beförderten die Flucht, lässt Reisch nicht gelten: «Die Schlepper schieben die Schlauchboote aufs Meer – und fertig.»
Reisch sagt, er sei kein politischer Mensch. «Ich sehe nur, was passiert.» So kam ihm vor zwei Jahren bei einem Törn im Mittelmeer der Gedanke, bei einer Rettungsmission anzuheuern. Eigentlich ist Reisch gelernter Automechaniker, er hatte eine gut laufende Sanitärfirma im bayerischen Landsberg. Seine Ausbildung zum Bootsführer hat Reisch in eher idyllischen Gefilden gemacht: auf dem Starnberger See.
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