Zahl der Vermissten steigt fast auf das Doppelte
Von 29 Passagieren der Costa Concordia fehlt weiterhin jede Spur: Das gab die Küstenwache am späten Montagabend bekannt. Die 69 Schweizer an Bord wurden alle gerettet.
Am Abend des dritten Tages nach dem Schiffsunglück vor der toskanischen Küste hat sich die Zahl der Vermissten von 16 auf 29 erhöht. Vermisst würden demnach 25 Passagiere der Costa Concordia und vier Besatzungsmitglieder sagte Marco Brusco von der Küstenwache im staatlichen italienischen Fernsehen. Eine Erklärung für den Anstieg machte er zunächst nicht. Nach Angaben der hiesigen Polizei wurden bis zum Montag zwölf Deutsche vermisst.
Nach mehrstündiger Unterbrechung war die Suche nach Überlebenden und Opfern im Wrack des gekenterten Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia am Nachmittag wieder aufgenommen worden. Die Arbeiten seien fortgesetzt worden, nachdem die Stabilität der verunglückten Costa Concordia überprüft worden sei, sagte Feuerwehrsprecher Luca Cari. Der Wind in der Region um die Insel Giglio und der Wellengang hätten nachgelassen.
Die Suche war am Morgen unterbrochen worden, weil sich das Schiff um neun Zentimeter bewegt hatte. Aus Sicherheitsgründen solle aber nicht in der Nacht gesucht werden, berichtet die Feuerwehr.
Alle Schweizer gerettet
Schweizer befinden sich keine unter den Vermissten: Alle 69 Passagiere aus der Schweiz konnten gerettet werden, wie das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) mitteilt. Zwei Personen seien gemäss EDA leicht verletzt, konnten das Spital aber nach kurzem Aufenthalt wieder verlassen.
Costa Kreuzfahrten ist eine Tochter des Kreuzfahrtkonzerns Carnival Corporation. Der Konzern wurde an der Londoner Börse massiv abgestraft.
Zuvor hatten sich die italienische Reederei Costa Crociere sowie deren Geschäftsführer in Hamburg vom Verhalten des Kapitäns deutlich distanziert. Mit einem eigenmächtigen und nicht genehmigten Manöver sei der Schiffsführer Francesco Schettino vom Kurs abgewichen. Das Kentern des Kreuzfahrtschiffes «Costa Concordia» mit etwa 4200 Menschen an Bord sei somit auf menschliches Versagen zurückzuführen, sagte der Vorstandsvorsitzende Pier Luigi Foschi. Harsche Kritik am Verhalten des Kapitäns äusserte auch die Staatsanwaltschaft.
Bei der letzten Überprüfung der Technik und der Sicherheit des Schiffs im vergangenen Jahr habe es keine Beanstandungen gegeben, sagte Foschi. Die Routen der Schiffe des Unternehmens seien genau festgelegt, bei Abweichungen würden sofort Alarmsignale ertönen. Im Fall der «Costa Concordia» sei diese Route korrekt programmiert gewesen. «Die Tatsache, dass sie von diesem Kurs abwich, ist einzig auf ein Manöver des Kapitäns zurückzuführen», hiess es weiter. Die Kreuzfahrtgesellschaft habe von diesem nicht autorisierten Manöver keine Kenntnis gehabt.
Ermittlung wegen fahrlässiger Tötung
Die Hauptsorge des Unternehmens sei nun die Sicherheit und das Wohlergehen der Passagiere und der Besatzung sowie sicherzustellen, dass kein Treibstoff aus dem Schiff in die Gewässer vor der toskanischen Insel Giglio auslaufe, sagte Foschi. Costa Crociere werde dem Kapitän mit juristischer Hilfe beistehen. Von dessen Verhalten distanziere sich das Unternehmen aber ausdrücklich.
Die italienische Staatsanwaltschaft kritisierte Kapitän Schettino indessen mit scharfen Worten. «Wir sind betroffen von der Skrupellosigkeit des waghalsigen Manövers», das zur Katastrophe geführt habe, sagte Staatsanwalt Francesco Verusio gegenüber Journalisten. Sein Verhalten sei «unentschuldbar». Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung, vorzeitigem Verlassen des Schiffs sowie Herbeiführung von Schiffbruch gegen Schettino.
Augenzeugen berichteten, dass der Kapitän bereits vor dem Abschluss der Evakuierung des Schiffes an Land gesehen worden sei. Schettino sitzt seit Samstagabend in Untersuchungshaft. Gegen ihn wird unter anderem wegen fahrlässiger Tötung ermittelt.
Umweltkatastrophe befürchtet
Am Montagnachmittag wurden die Rettungsarbeiten vorübergehend teilweise eingestellt. Bei unruhiger See hatte sich das Schiff einige Zentimeter bewegt. Experten rechnen mit einer Ölkatastrophe, sollte das Schiff sinken, bevor die 2400 Tonnen Treibstoff an Bord abgepumpt werden können. So ist die toskanische Küste unter anderem Schutzgebiet für Delfine und Schweinswale.
«Im Moment gibt es keine Öllecks, aber wir müssen schnell reagieren, um eine Umweltkatastrophe zu verhindern», sagte Umweltminister Corrado Clini dem staatlichen Fernsehsender RAI. Costa zufolge werde dass in Rotterdam ansässige Unternehmen Smit versuchen, das 290 Meter lange Kreuzfahrtschiff zu bergen. Morgen Dienstag solle Smit einen Vorschlag unterbreiten, wie der Treibstoff abgepumpt werden könne, hiess es weiter.
Unterdessen bezifferte der US-Mutterkonzern Carnival den Gesamtschaden für das Unternehmen mit mehr als 100 Millionen Dollar (79 Millionen Euro), den grössten Teil davon machten Umsatzeinbussen aus, wie das Unternehmen in Miami mitteilte.
Kein «SOS»-Ruf
Medienberichten zufolge soll der Kapitän mehrfach von der Küstenwache aufgefordert worden sein, wieder an Bord zu gehen, um die Evakuierung seines Schiffes zu koordinieren. Dies habe er jedoch nicht getan. Auch einen «SOS»-Ruf soll es nicht gegeben haben.
Einzelheiten zum Hergang des Unglücks erhofft man sich von der Auswertung der Blackbox des Schiffes, die ähnlich wie in Flugzeugen die Kommunikation auf der Brücke und Steuerbefehle aufzeichnet.
Das zuständige Hafenamt in Livorno hat die Kreuzfahrtgesellschaft in einem Mahnschreiben aufgefordert, unter Berücksichtigung der noch laufenden Suchaktionen «das Schiff zu sichern und abzuschleppen». Offen ist, ob es etwa bei stürmischer See weiter abrutschen könnte.
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