Fall Knox: «Die Staatsanwälte gehören verurteilt»
Nach dem Freispruch von Amanda Knox loben die USA das Urteil von Perugia. Die Ermittler und Ankläger müssen sich harsche Kritik gefallen lassen. Eine Professorin sagt, Italiens Justizsystem sei nicht barbarisch.
Als das Berufungsgericht in der italienischen Stadt Perugia am späten Montagabend nach elfstündiger Beratung das Urteil verlas, brach Amanda Knox in Tränen aus. Die aus Seattle angereisten Eltern umarmten vor Freude ihre Verteidiger. Die ebenfalls im Gerichtssaal anwesende Familie der 2007 ermordeten 21-jährigen Studentin Meredith Kercher zeigte sich entsetzt. Ausserhalb des Gebäudes riefen einige der vielen Hundert Versammelten «Schande, Schande».
Abgesehen von den Angehörigen des Dramas um den Mord an Meredith Kercher waren sich die meisten Gerichtsbeobachter einig: Im Prozess gegen Knox und ihren Ex-Freund Raffaele Sollecito konnte es gar kein anderes Urteil geben als einen Freispruch. Nachdem bekannt geworden war, in welchem Mass die Strafverfolger gepfuscht hatten, war mit dem Freispruch gerechnet worden. In die Genugtuung über den «richtigen und längst fälligen Freispruch» für die 24-jährige Amerikanerin mischte sich in die Medienkommentare auch teils harsche Kritik am italienischen Justizsystem. «Amanda und Raffaele freigesprochen», meinte der Kommentator der Zeitung «Il Giornale». «Die Staatsanwälte gehören verurteilt.» Vier Jahre Haft ohne Beweise – das gehe nicht. In der Justiz müsse sich etwas ändern, und zwar sofort.
Spannungen zwischen USA und Italien
Der Prozess gegen Knox und das italienische Justizsystem waren insbesondere in der Heimat der Angeklagten, in den USA, argwöhnisch beobachtet worden. Der erstinstanzliche Schuldspruch war zum Beispiel als Akt des Anti-Amerikanismus kritisiert worden. Nach dem Freispruch vom Montagabend hat die Stimmung gedreht. «Die USA erkennen die sorgsame Prüfung des Falles durch die italienische Justiz an», liess eine Sprecherin des amerikanischen Aussenministeriums verlauten.
Die Strafrechtlerin Paola Severino von der Luiss-Universität in Rom bemühte sich im Gespräch mit ausländischen Journalisten um ein differenzierteres Bild im Fall Knox. Die Polizei habe bei den Ermittlungen Fehler gemacht. So sei der Tatort nicht gründlich genug untersucht worden, sagte Severino. Verdächtige und Zeugen seien erst spät intensiv verhört worden, als ihre Erinnerung schon verblasst war. Dennoch habe die italienische Justiz nicht ein «barbarisches» Urteil gesprochen, wie aus Amerika oft zu hören gewesen sei. Schon das Berufungsverfahren belege das Gegenteil.
«Wir verstehen das Urteil nicht»
In Knox' Heimatstadt Seattle flossen nach dem Freispruch Freudentränen. Eine Gruppe von Freunden der 24-Jährigen versammelte sich wegen der Zeitverschiebung bereits am frühen Morgen in einem Hotel der Stadt, um das Urteil live im Fernsehen zu verfolgen. Als der Freispruch kam, gab es laut dem Bericht eines AFP-Reporters eine Freudenexplosion. Es wurde geklatscht, Freudentränen flossen. «Ich kann immer nur an die Mutter von Amanda denken und wie glücklich sie sein muss, dass ihre Tochter jetzt – nach vier Jahren – endlich frei ist», sagte Kallane Henry, eine Freundin der Eltern von Amanda Knox.
Gar keinen Grund zur Freude haben die Angehörigen der getöteten britischen Studentin Meredith Kercher. «Wir verstehen das Urteil nicht.»
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