«Was dich nicht umbringt, macht dich stärker»
Am 22. Juli erschoss Anders Behring Breivik auf der norwegischen Insel Utöya 69 Menschen. Die Geschwister Barzingi erlebten das Attentat am eigenen Leib und erzählen von den schlimmsten Minuten ihres Lebens.

«Als ich die Schiesserei hörte, dachte ich erst, dass das ein Witz ist», erzählt die 17-Jährige Hana. Deshalb sei sie erst einfach sitzen geblieben, während alle anderen zu den Fenstern gerannt seien. «Und dann legten sich alle plötzlich mit über den Köpfen zusammengeschlagenen Händen auf den Boden.»
Sie und eine Freundin seien zum Fenster gegangen. Da habe sie einen Mann gesehen. «Blonde Haare, blaue Augen, er hatte einen Kopfhörer auf und ein grosses Maschinengewehr im Anschlag», erzählt Hana. «Und dann sagte ich: 'Was zum Teufel machen Sie da?', weil ich nicht wusste, was passieren würde oder wo der Schütze war.»
Er habe sich einfach umgedreht und gefragt, ob ich wisse, wo die Schüsse hergekommen seien. «Als ich sagte, 'Von der linken Seite', sah ich dort schon zwei tote Menschen liegen.» Und dann habe sie gehört, wie sich die Schüsse näherten. «Er näherte sich dem Haus. Und ich rannte einfach», erklärt Hana. «Es war wie eine Schafherde, als ob man vor einem Hund davonrennt.»
«Bist du auf Utöya?»
Auch ihre 19-jährige Schwester Hajin glaubte erst an einen zynischen Spass. «Ich dachte, dass jemand mit ein paar Ballons oder so etwas spielt», sagt sie. «Aber dann sind mehrere Leute schreiend in den kleinen Raum gerannt, in dem ich gerade war.»
Als die Schüsse immer näher gekommen seien, habe sie gemerkt, dass es ernst sei. Sie lief zunächst in die Halle, um nach ihren Geschwistern zu sehen, konnte sie aber nicht finden. «Ich dachte, dass sie sich irgendwo versteckt haben, also tat ich es ihnen nach. Ich rannte in eine nahegelegene Toilette.»
Eine schwangere Frau
Dort hätten sich auch zwei Jungs versteckt. «Ich sagte: 'Ich werde mich mit euch verstecken', und sie willigten ein.» Und dann sei auch eine schwangere Frau aus Uganda hineingerannt und habe sich flach auf den Boden gelegt, sagt Hajin.
Sie schlossen die Türen und versuchten still zu sein, sich nicht zu bewegen und einander Mut zu machen. Sie habe dann in ihrem Versteck SMS-Nachrichten von Bekannten und Unbekannten bekommen. «Bist du auf Utöya?», «Wie geht's Dir?», hätten die Botschaften gelautet.
Ihre Freunde hätten sie auf diese Weise über das Geschehen auf dem Laufen gehalten. So habe sie erfahren, dass die Polizei und Helikopter auf dem Weg seien und sie die anderen beruhigen können, sagt Hajin.
Für einen Terroristen gehalten
«Ich wusste nicht, was ich tun soll», sagt ihr Bruder Dana Barzingi. Also sei er erst auf der Insel umhergelaufen und habe nach seinen Schwestern gesucht. Dabei habe er verwundeten Menschen aufgeholfen und sie an einen sicheren Ort gebracht, erklärt der 21- Jährige.
Schliesslich habe ihn die Polizei ergriffen und zunächst für einen Terroristen gehalten. «Ich war nicht der Einzige», erklärt Dana. Das gleiche hätten die Polizisten auch von einem Freund gedacht.
«Sie waren grossartig»
Wenn Dana an seine getöteten Freunde denkt, ist er voll des Lobes. «Sie waren grossartig, die besten Menschen, die man sich vorstellen kann», sagt er. «Ihnen war es vollkommen egal, ob du weiss, schwarz oder gelb bist. Wenn sie dich angesehen haben, haben sie dich als einen Menschen gesehen.»
Wie geht es weiter nach Utöya? Er wisse nicht, ob er jemals wieder derselbe sein werde, erklärt Dana. Aber er fühle sich stärker als früher. «Was dich nicht umbringt, macht dich nur stärker.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch