Parlament lockert Regeln für Kriegsmaterialexporte
Schweizer Kriegsmaterial darf künftig auch in Länder exportiert werden, in welchen Menschenrechte verletzt werden. Der Nationalrat hat als Zweitrat einer Motion zugestimmt.
Schweizer Kriegsmaterial darf künftig auch in Länder exportiert werden, in welchen Menschenrechte verletzt werden. Der Nationalrat hat als Zweitrat einer entsprechenden Motion mit 94 zu 93 Stimmen äusserst knapp zugestimmt. Der Bundesrat muss nun die Kriegsmaterialverordnung anpassen.
Heute dürfen Waffen und Munition gemäss Kriegsmaterialverordnung nicht in Länder geliefert werden, in denen «Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt werden». Das Parlament will Exporte neu nur noch dann verbieten, wenn ein hohes Risiko besteht, dass das zu liefernde Material für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt wird. Die Behörden sollen jeden Fall einzeln prüfen.
Schweiz sogar schlechter gestellt
Begründet wird die Lockerung mit der momentan schwierigen wirtschaftlichen Situation der Schweizer Rüstungsindustrie. Die heutige Regelung führe dazu, dass Schweizer Exporteure gegenüber der europäischen Konkurrenz benachteiligt würden. Man wolle gleich lange Spiesse, forderten mehrere Redner. Heute sei die Schweiz sogar schlechter gestellt als neutrale Staaten wie Schweden und Österreich.
Für Schweizer Firmen sei heute etwa die Lieferung von Fliegerabwehrsystemen nach Saudiarabien verboten, obwohl sich diese nicht für Menschenrechtsverletzungen eigneten, sagte Walter Müller (FDP/SG). Die Lage sei prekär, zehntausend Arbeitsplätze seien direkt oder indirekt betroffen, sagte Raymond Clottu (SVP/NE)
Wirtschaftsminister Johann Schneider-Amman betonte zudem, die Rüstungsindustrie sei auch für die eigene Landesverteidigung wichtig. Der Bundesrat stellte sich hinter den Vorstoss.
Friedenpolitisch unglaubwürdig
Gegner der Lockerung warnten, die Schweiz werde friedenspolitisch unglaubwürdig und setze den guten Ruf des Landes aufs Spiel. Weiter führten sie demokratiepolitische Bedenken an. Im Abstimmungskampf zur Initiative für ein Verbot von Kriegsmaterial vor fünf Jahren habe die Regierung noch bekräftigt, an der restriktiven Praxis festhalten zu wollen.
Bei einer Lockerung der Exportregeln bestehe die Möglichkeit, dass Schweizer Rüstungsgüter auch in Ländern wie Pakistan oder Ägypten zum Einsatz kämen, die derzeit einem Pulverfass glichen, sagte Pierre-Alain Fridez (SP/JU). Gerade jetzt zeige der Einsatz von Schweizer Waffen auf dem Maidan-Platz in der Ukraine die Brisanz solcher Lieferungen.
Ständerat und Bundesrat hatten den Vorstoss unterstützt. Auch die vorberatende Kommission des Nationalrates empfahl mit 13 zu 9 Stimmen die Annahme. Im Nationalrat waren die Stimmen schliesslich ausgeglichen, der Entscheid fiel mit Stichentscheid des Präsidenten.
Empörung bei Menschenrechtsorganisationen
Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) konstatierte, das Parlament stelle Profit über Menschenleben. Sie protestierte am Nachmittag mit einem aufblasbaren Panzer auf dem Bundesplatz gegen den Entscheid.
Amnesty International Schweiz teilte mit, dass wirtschaftliche Interessen vor den Menschenrechten kämen, sei ein Skandal. Die Schweiz setze ihre Reputation aufs Spiel.
Alliance Sud, die Arbeitsgemeinschaft der sechs grossen Hilfswerke, kritisiert, dass mit dem Entscheid «Arbeitsplätze in einem völlig unbedeutenden Industriezweig, der gerademal 0,33 Prozent der gesamten Schweizer Exporte ausmacht», geschützt werden, statt einen nachhaltigen Beitrag zur Lösung weltweiter Krisen zu leisten.
SDA/bru
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