Parlament will gleich lange Spiesse wie US-Steuerparadiese
Das Bankgeheimnis abschaffen? Das Parlament scheint einen anderen Weg einschlagen zu wollen: Was in britischen und US-Steuerparadiesen gang und gäbe ist, soll auch in der Schweiz gelten.

National- und Ständerat verlangen, dass die Schweiz beim Schutz der Privatsphäre von Bankkunden gleich lange Spiesse erhält wie Staaten mit Steuerparadiesen. Der Ständerat hat heute Mittwoch mit 21 zu 12 Stimmen eine Motion aus dem Nationalrat überwiesen. Damit wird der Bundesrat beauftragt, dem Parlament eine Gesetzesrevision vorzulegen, welche die «Lücken und Nachteile» des schweizerischen Rechts gegenüber anderen Staaten schliesst, namentlich den USA.
Eingereicht hatte die Motion Nationalrat Pirmin Bischof (CVP, SO). Er begründete sein Anliegen mit den Gesetzen in US-Bundesstaaten wie Delaware, Nevada und Montana. Dort sei es legal möglich, zu verheimlichen, wer der wirtschaftliche Berechtigte eines Vermögenswertes sei. In diesen Staaten stünden dazu gesellschafts- und steuerrechtliche Instrumente zur Verfügung.
Nachteile eliminieren
Das Gleiche könne nach geltendem britischem Recht mit Trusts erreicht werden, zumal das Vereinigte Königreich über Hoheitsgebiete im Ärmelkanal und in Übersee verfüge, die EU-Recht nicht unterstünden und grosse Steuerschlupflöcher darstellten. Sollten diese Staaten nicht bereit sein, diese internen Regelungen aufzugeben, müsse die Schweiz die Möglichkeit haben, vergleichbare Regelungen anzuwenden, argumentierte Bischof. Sonst nehme der Finanzplatz Schweiz wegen Steuerschlupflöchern bei den Hauptkonkurrenten Schaden.
Gegen die Motion sprach sich Roberto Zanetti (SP, SO) aus. Der Vorstoss sei unnötig und unzweckmässig, argumentierte er: «Das heisst, dass wir uns irgendwelchen US-amerikanischen, karibischen oder Kanal-Steuerparadiesen anpassen sollen.» Wenn man aus der Geschichte die richtigen Lehren ziehen wolle, dürfe man dazu nicht Tür und Tor öffnen.
Zu viel Ärger mit Banken
«Wir hatten in den letzten Monaten genügend Ärger mit Schlaumeiereien oder Grenzverletzungen irgendwelcher gespeedeter Banker», sagte Zanetti. «Wir ärgern uns mittlerweile fast täglich, weil die Politik wieder die Kohlen aus dem Feuer holen muss.» Schweizer Banking solle diskret, kompetent und sauber sein, aber nicht schlaumeierisch.
Auch der Bundesrat empfahl dem Parlament, die Motion abzulehnen. Der Bundesrat werde sich auch weiterhin für den Schutz der Privatsphäre von Bankkunden und auch für die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes einsetzen. Der Weg der Gesetzgebung sei aber nicht der einzig mögliche, sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf.
Entscheid über Steuerabkommen verschoben
Zuvor hatte der Ständerat den Entscheid über eine Ergänzung des Doppelbesteuerungsabkommens mit den USA vertagt. Mit 29 zu 7 Stimmen nahm der Rat den Antrag seiner Aussenpolitischen Kommission (APK) an, das Geschäft zu verschieben. Die Kommission hielt fest, sie begrüsse die vom Bundesrat gewählte Verhandlungsstrategie, mit den USA auf Basis des bestehenden Rechts eine Lösung im Steuerstreit zu finden. Sie ermuntere den Bundesrat, die anvisierte Gesamtlösung mit den USA weiterzuverfolgen. Das Geschäft sollte jedoch erst im Parlament traktandiert werden, wenn in den Verhandlungen mit den USA «substanzielle Ergebnisse» vorlägen.
Im Rat machten die Befürworter einer Verschiebung vor allem geltend, dem Parlament lägen nicht genügend Informationen über die Vergehen der Banken und die angestrebte Lösung vor. «Wir möchten dem Bundesrat keinesfalls in den Rücken fallen», sagte APK-Präsident Eugen David (CVP/SG).
Tanzbären am Seil der Banken
Doch er wisse nicht, welche Regeln die beschuldigten Banken in den USA gebrochen hätten. Fest stehe allerdings, dass primär die Banken verantwortlich seien. Es sei nicht am Parlament, die Banken vor Bussen in den USA zu schützen.
«Wir wollen wissen, was Sache ist», sagte Urs Schwaller (CVP/FR). «Sonst werden wir zu Tanzbären, die von den rechtsbrechenden Banken am Seil geführt werden.» Die Banken hätten erneut Recht gebrochen. Nun riefen sie die Parlamentarier «im Stundentakt» zur Zustimmung auf. Dafür fehle ihm jedes Verständnis.
Drohende Eskalation des Streits
Die Gegner der Verschiebung warnten vergeblich davor, dass dieses Vorgehen zu grossen Problemen führen könnte. Es gelte, die Kräfteverhältnisse zu berücksichtigen, sagte Dick Marty (FDP/TI). «Wenn das Haus am Freitagabend zu brennen beginnt, ruft man die Feuerwehr nicht erst am Montagmorgen.»
Eine Verschiebung könnte dazu führen, dass die USA den Druck erhöhe und noch gegen weitere Banken Verfahren einleite, gab Marty zu bedenken. Die USA seien zu recht verärgert über die Schweizer Banken, die systematisch betrogen hätten.
Anita Fetz (SP/BS) stellte fest, das Problem werde mit der Zeit nicht kleiner werden. Immerhin seien mindestens zwei Kantonalbanken betroffen, darunter die Basler Kantonalbank. Sie könne eine Verschiebung nicht verantworten, wenn nicht ausgeschlossen sei, dass diese zum Ruin einer Bank führen könnte.
Bundesrat gegen Notrecht
Auch Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf wies auf die Risiken hin. Sie sprach von elf betroffenen Banken. Darunter seien wahrscheinlich zwei Kantonalbanken. «Ich bin nicht Anwältin der Banken», versicherte Widmer-Schlumpf. Doch das Problem müsse gelöst werden.
Laut Widmer-Schlumpf wollen die USA die Situation bis im November geklärt haben. «Sagen Sie uns dann nicht im Dezember, wenn die Situation eskaliert, jetzt müsse der Bundesrat halt Notrecht anwenden. Das werden wir nicht tun», stellte die Finanzministerin klar.
Nach ihrer Darstellung ist der Weg über die Ergänzung des Doppelbesteuerungsabkommens eine Chance: Die USA hätten bis vor wenigen Wochen noch eine Notrecht-Lösung oder einen neuen Vertrag nach dem Muster des UBS-Vertrags gefordert, sagte Widmer-Schlumpf. Nun hätten sie sich bereit gezeigt für eine Lösung auf Basis der bestehenden gesetzlichen Grundlagen.
Auch künftig Gruppenanfragen
Der Bundesrat hatte dem Parlament deshalb kurzfristig einen Zusatzbericht zum Doppelbesteuerungsabkommen vorgelegt. Darin wird explizit festgehalten, dass die USA auch auf Basis des neuen Doppelbesteuerungsabkommens Gruppenanfragen über Konten von US- Bürgern einreichen könnten.
Die USA seien stets von dieser Auslegung ausgegangen, erklärte Widmer-Schlumpf. In der Schweiz sei aber bei der Umsetzung im internen Recht eine Einschränkung vorgenommen worden, die nicht mit dem übereinstimme, was mit den USA verhandelt worden sei. Zuständig war der damalige Finanzminister Hans-Rudolf Merz.
Bürgerliche Politiker fürchten Gruppenanfragen
Bereits das alte Doppelbesteuerungsabkommen sah vor, dass die Identifikation von Steuersündern auch über «Verhaltensmuster» möglich ist. Durch das Verhaltensmuster würden mehrere Personen gleichzeitig eruiert – etwa über einen bestimmten Kundenberater, der durch Beihilfe zur Steuerhinterziehung aufgefallen ist.
Bürgerliche Politiker befürchten, dass Gruppenanfragen auf Basis des neuen Abkommens zu Ermittlungen ins Blaue führen könnten, sogenannten «Fischzügen». SP und Grüne wiederum möchten, dass die Schweiz Gruppenanfragen zur allgemeinen Praxis gegenüber allen Staaten erhebt.
SDA/ami/sam
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