Pestizide in Schweizer Fischen gefunden
Eine neue Untersuchung zeigt: Pestizide belasten nicht nur die hiesigen Gewässer, sondern reichern sich auch in Fischen an. Fachleute fordern nun vertiefte Abklärungen.

Die Schweizer Landwirte bringen jedes Jahr rund 2200 Tonnen Pestizide aufs Feld. Auch wenn der Schweizerische Bauernverband mit Nachdruck festhält, dass die Bauern zugelassene Mittel verwenden und bei der Anwendung die Auflagen der Behörden einhalten müssen: Die Giftstoffe belasten die Bäche, Flüsse und Seen teils stark; zuletzt bestätigt hat dies eine Studie des Bundes diesen April.
Weitgehend unerforscht ist dagegen, wie weit Fische von Pestiziden betroffen sind. Eine bislang unveröffentlichte Untersuchung bringt nun mehr Klarheit. Der WWF Schweiz hat in einem Berner Labor Fische auf Pestizide testen lassen, je drei Exemplare – Bachforellen oder Döbel – aus der Engelberger Aa (NW), der Surb (AG), der Urtenen (BE) und der Limpach (SO). Dabei haben die Experten in den vier Gewässern in allen zwölf geprüften Fischen Pestizide oder Abbauprodukte gefunden.
Hoch sei insbesondere der Anteil an Giftstoffen, welche die Fortpflanzungsfähigkeit der Tiere mindern oder den Fischembryo schädigen könnten, heisst es in der Untersuchung, die dieser Zeitung vorliegt. Keine Aussagen machen die Experten über die Geniessbarkeit der Tiere, haben sie doch den ganzen Fisch überprüft und nicht nur die essbaren Teile. Damit ist auch nicht klar, wo genau im Organismus sich die Schadstoffe angereichert haben.
Der WWF Schweiz bezeichnet das Resultat als «erschreckend». Bei den hierzulande zugelassenen Pestiziden sind die Fachleute bisher davon ausgegangen, dass selbst höhere Konzentrationen im Wasser nicht zu erhöhten Konzentrationen in Fischen führen sollten. «Der Test beweist jedoch das Gegenteil», sagt Myriam Stucki vom WWF Schweiz. Die Zulassung der Pestizide widerspreche dem Vorsorgeprinzip, das im Umweltschutzgesetz verankert sei.
Fischpopulationen unter Druck
Die Untersuchung hat indes eine gewichtige Schwäche. Sie lässt keine Rückschlüsse zur Frage zu, wie pestizidbelastet der Fischbestand in der Schweiz insgesamt ist. Dazu ist die Stichprobe zu klein, wie der WWF einräumt. Trotzdem wird die Arbeit in Fachkreisen als wertvoller Beitrag gewertet. Der Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute etwa schätzt die Pestizidbelastung der Gewässer als problematisch ein – wobei bis anhin nicht die Auswirkungen auf die Fische im Vordergrund gestanden sind, wie Direktor Stefan Hasler sagt. «Fakt ist jedoch, dass viele Fischpopulationen in der Schweiz zurückgehen und das breit angelegte Projekt Fischnetz vor gut zehn Jahren keine eindeutigen Gründe dafür gefunden hat.» Bereits damals hätten mitunter Pestizide als möglicher Grund gegolten. Vor diesem Hintergrund fände Hasler weitere Untersuchungen sinnvoll.
Dieser Ansicht ist auch Marion Junghans vom Oekotoxzentrum, dem schweizerischen Kompetenzzentrum für angewandte Ökotoxikologie. «Pestizide, die sich in Fischen akkumulieren und über die Nahrungskette anreichern, können für die Fischreiher zum Problem werden.» Weitere Forschung wäre daher auch laut Junghans wünschenswert. Der WWF versteht die Untersuchung als «Anstoss» für die Forschung, wie Sprecherin Myriam Stucki erklärt.
Zu reden geben dürfte das Testergebnis freilich auch auf politischer Ebene. Zum einen, weil das Departement von Umweltministerin Doris Leuthard (CVP) die Grenzwerte für 25 Pestizide, darunter das besonders umstrittene Glyphosat, anheben will, wie diese Zeitung vorletzte Woche berichtet hat. Zum anderen, weil der WWF Forderungen aus der Untersuchung ableitet: Der Bund soll demnach die Pestizidbelastung der Gewässer und ihrer Bewohner «deutlich» senken.
«Scheinlösung» befürchtet
Dass Handlungsbedarf besteht, ist unbestritten. Der Bundesrat will mit einem nationalen Aktionsplan die Risiken der Pestizidanwendung halbieren und den Verbrauch von Pestiziden mit besonderem Risikopotenzial bis 2027 um 30 Prozent senken. Zu den mehr als 50 Massnahmen gehört, dass die Bauern über Direktzahlungen spezielle Beiträge erhalten, sofern sie auf Herbizide verzichten. Kritiker indes halten die Ziele des Aktionsplans für zu wenig ambitioniert. Nationalrätin Tiana Moser ortet die Gefahr einer «Scheinlösung». In einer Motion fordert die GLP-Politikerin den Bundesrat auf, die «nötigen finanziellen und personellen Ressourcen» bereitzustellen.
Der Bundesrat teilt diese Befürchtung nicht. Der Aktionsplan, so stellte er in seiner Antwort auf Mosers Vorstoss jüngst klar, sei das richtige Mittel, um das «ehrgeizige Ziel» zu erreichen; dies umso mehr, als für dessen Umsetzung neu 2,6 Millionen Franken pro Jahr mehr zur Verfügung stünden. Der Bauernverband steht hinter dem Aktionsplan: Die Landwirtschaft sei bereit, «den Eintrag in die Gewässer wirkungsvoll zu reduzieren».
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