Pfui, Huawei
Zwei Hilfswerke haben die zehn Smartphone- und PC-Hersteller mit den grössten Marktanteilen punkto Nachhaltigkeit und Arbeitsbedingungen beurteilt. Sie treten das Arbeitsrecht mit Füssen.

Die neuen iPhones werden heuer unter dem Christbaum so manches Augenpaar zum Leuchten bringen und Apple selbst ein florierendes Weihnachtsgeschäft bescheren. Angesichts von so viel Freude geht manchmal vergessen, dass es mit den Produktionsbedingungen der reizvollen Gadgets nicht immer zum Besten steht. Die Entwicklungsorganisationen Brot für alle und Fastenopfer haben deshalb zum dritten Mal untersucht, wie verantwortungsbewusst sich die grossen Smartphone- und Laptophersteller in Bezug auf Arbeitsbedingungen, Rohstoffe aus Konfliktgebieten und Umweltschutz verhalten. Dabei schneidet Apple gar nicht so schlecht ab.
Im Gegenteil: Der iPhone-Hersteller rangiert auf Platz eins, vor den US-Firmen Dell und HP. Auf den hintersten Rängen finden sich deutlich abgeschlagen der chinesische Senkrechtstarter Huawei und der taiwanische Elektronikhersteller HTC. Insgesamt seien leichte Fortschritte zu erkennen, «aber den Firmen ist Gewinn immer noch wichtiger als das Arbeitsrecht» stellt Karin Mader von Brot für alle fest.
Ins Ratingaufgenommen wurden jene zehn Markenfirmen, die in der Schweiz am meisten verkauft werden, fünf bei den Smartphones und Tablets und fünf bei Laptops und PCs. Dabei habe man – in Ermangelung öffentlich zugänglicher Zahlen – auf die Einschätzung von Händlern und Verkäufern zurückgegriffen. Im Vergleich zum letzten IT-Markenrating von 2014 fehlt in der aktuellen Übersicht Nokia, Huawei ist dafür erstmals mit dabei. Google und Microsoft sucht man vergebens, weil sie zum Zeitpunkt der Umfrage im Frühling 2017 nicht unter den vordersten zehn Plätzen waren.
Die Tabellenletzten holten auf
Für den Bericht berücksichtigt wurden die öffentlich zugänglichen Informationen der Hersteller wie Firmenwebsites und Geschäftsberichte sowie die Stellungnahmen der Firmen, nachdem man ihnen das Rating vorgelegt hatte.

Insgesamt lassen sich kleine Fortschritte erkennen. Besonders die Tabellenletzten des letzten Ratings wie Lenovo, Asus und Samsung hätten sich verbessert. Die fortschrittlichsten Unternehmen hätten aber leider stagniert. «Zudem gibt es immer noch Firmen wie Huawei und HTC, die sich um die angesprochenen Themen foutieren und sehr intransparent kommunizieren», sagt Mader.
Huawei Schweiz will das so nicht stehen lassen und lässt verlauten, man habe vom Rating keine Kenntnis gehabt. Der Bericht sei nach China an den Hauptsitz geschickt worden, wo Brot für alle kein Begriff und die Relevanz des Ratings leider verkannt worden sei. Huawei habe ein Programm zur ethischen Beschaffung eingeführt, um eine nachhaltige Entwicklung in der Lieferkette zu fördern. Zudem nehme man das Problem der Konfliktmineralien sehr ernst und habe Massnahmen eingeleitet, um dieses anzugehen.
Und HTC stellt generell die Methodik des Berichts infrage: «Wir glauben nicht, dass diese Untersuchung die Situation von HTC angemessen widerspiegelt. Wir nehmen unsere Verantwortung gegenüber der Umwelt und unseren Mitarbeitern sehr ernst», heisst es auf Anfrage.
Firmen verstecken sich hinter «Branchenkodizes»
Gerade in Sachen Arbeitsrecht fallen die Bewertungen aber besonders negativ aus. «Da bleibt immer noch viel zu tun», stellt Mader fest. Zwar sei die Transparenz hinsichtlich der Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben insgesamt grösser geworden, bei den bisherigen Spitzenreiterinnen seien aber Rückschritte zu beklagen. So habe Apple etwa frühere Engagements bezüglich Zusammenarbeit mit Menschenrechtsorganisationen vermindert, und HP habe sich nicht mehr im gleichen Masse für Existenzlöhne engagiert. Stattdessen sei bei den Firmen eine Tendenz erkennbar, sich hinter «Branchenkodizes» zu verstecken. Apple und HP seien Mitglied der Responsible Business Alliance, deren Kodex über Lippenbekenntnisse nicht hinausgehe. Mader: «Mit der Umsetzung und Kontrolle hapert es meistens.» Wirklich wirksam seien nur Gesetze.
Das zeigten auch die grossen Verbesserungen bei der Beschaffung von Konfliktrohstoffen. Inzwischen würden fast alle Unternehmen ihre Lieferketten offenlegen und mit zertifizierten Schmelzereien zusammenarbeiten: «Das ist hauptsächlich auf neue Gesetze in den USA und der EU zurückzuführen, die börsenkotierte Unternehmen zur Transparenz nötigen», sagt Mader.
90 Überstunden im Monat
Auch für die Umwelt gibt es Lichtblicke. Insbesondere die Spitzenreiter Apple, Dell und HP packen das Thema Giftstoffe wie PVC in Produkten endlich an, während sich die Schlusslichter Huawei und HTC auch darum foutieren.
Kann man nun also guten Gewissens ein iPhone kaufen? Schliesslich schneidet Apple im Rating am besten ab und wurde kürzlich auch von Greenpeace – zusammen mit Fairphone – zum ökologischsten Elektronikhersteller gekürt. «Jein», sagt Mader: «Während Apple im vorliegenden IT-Markenrating, das auf firmeneigenen Berichten beruht, im grünen Bereich liegt, haben Nachforschungen unserer Partnerorganisation Sacom ergeben, dass Apple seinen Kodex in China nur unzureichend einhält.» Laut Sacom, deren Leute undercover in Fabriken anheuern, leisteten Fliessbandarbeiter monatlich 80 bis 90 Überstunden. Zudem würden nach wie vor Studierende als «Praktikanten» eingestellt und als billige, «flexible» Arbeitskräfte missbraucht. Einen entsprechenden Bericht der Zeitung «Financial Times» hat Apple gestern bestätigt.
Fairphone zeigt, was möglich ist
Für besonders problematisch hält es Mader in diesem Zusammenhang, dass alle untersuchten Firmen die Verantwortung für die Einhaltung der Arbeitsrechte an ihre Zulieferer abschaufelten, etwa an die Firma Foxconn, die gleich für mehrere Handyhersteller produziert. Dabei trügen die Markenfirmen die Hauptschuld an der Ausbeutung der Arbeitskräfte, weil sie ihr Ware möglichst billig, kurzfristig und in flexiblen Mengen verlangen. «Uns ist es besonders wichtig, mit diesem Rating die Konsumenten zu informieren und zu sensibilisieren für den Zusammenhang zwischen Einkaufsverhalten und den Arbeitsbedingungen in der Produktion», sagt Karin Mader von Brot für alle. «Denn mit unserem Konsumverhalten können wir das Verhalten der Markenfirmen direkt beeinflussen.»
Was in Sachen Ethik und Fairness im Handybau grundsätzlich möglich wäre, zeigt das Fairphone. Das Unternehmensmodell des holländischen Telefonbauers unterscheidet sich radikal von jenem der übrigen Hersteller. Beim Fairphone besteht die Herausforderung explizit nicht darin, möglichst viel Gewinn zu schreiben, sondern ein möglichst faires und nachhaltiges Produkt herzustellen. Besonders in Sachen Arbeitsrechte - ein Punkt, der in der Greenpeace-Studie nicht berücksichtigt wird - schwingt das Fairphone obenaus: "Das fairphone kann im Umgang mit Arbeitsrechten und Konfliktrohstoffen in der Lieferkette als best practice gelten und zukunftsweisende Wege für die Industrie aufzeigen", heisst es im Bericht.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch