Plan «Victoria» – wie Postfinance 20 Prozent aller Jobs abbaut
Die Finanztochter der Post hat angekündigt, 500 Stellen zu streichen – es sind aber viel mehr.

«Nichtstun ist keine Option.» Das ist einer der Lieblingssätze von Postfinance-Chef Hansruedi Köng. Stärker als andere Banken leidet Postfinance unter den sinkenden Zinserträgen, welche das Institut mit der Anlage von Kundengeldern generiert. Denn Kredite darf das Staatsinstitut nicht vergeben. Da keine schnelle Wende auf der Einnahmeseite in Sicht ist, greift Köng nun auf der Kostenseite durch.
Postfinance kündigte gestern einen Abbau von «bis zu 500 Vollzeitstellen bis Ende 2020» an. Zwei Drittel davon sollen über natürliche Fluktuation wie etwa Frühpensionierung erreicht werden. «Wir werden nicht darum herumkommen, auch Kündigungen auszusprechen», schrieb Hansruedi Köng in einer Mitteilung.
Doch der Stellenabbau geht viel weiter als das, was Köng gestern angekündigt hat. Denn die jetzt kommunizierten Kürzungen sind nur ein Teil des Sparplans «Victoria 2020», der zum Teil schon im vergangenen Herbst aufgegleist wurde. Rechnet man alles zusammen, so ergibt sich ein Stellenabbau von insgesamt 665 Arbeitsplätzen – das sind fast 20 Prozent aller Vollzeitjobs bei Postfinance. Dieser Wert ergibt sich aus den Ankündigungen sowie einem internen Dokument, das dieser Zeitung vorliegt. Gewerkschaften monieren eine «Salamitaktik» in der Kommunikation.
«Victoria 2020» kostet Jobs
In diesem Jahr wurden bereits rund 45 Vollzeitstellen abgebaut. Dabei ging es um Jobs, die durch die Automatisierung wegfallen. Also etwa dadurch, dass Kontoauszüge zunehmend elektronisch zugestellt werden. Im vergangenen Jahr hatte Postfinance angekündigt, 120 Stellen im Bereich Belegverarbeitung an die Posttochter Swiss Post Solutions zu übertragen. Hinzu kommen nun die geplanten 500 Stellen, die bis 2020 gestrichen werden sollen.
Ein Sprecher von Postfinance entgegnet: Im nun beginnenden Konsultationsverfahren könnte dank intelligenter Vorschläge die Zahl der zu streichenden Stellen noch sinken. Zudem würden neue Stellen entstehen, weil Postfinance in neue Geschäftsfelder investieren will. Geplant ist etwa ein Ausbau des Anlagegeschäfts. Doch wie viele neue Jobs das bringen wird, ist derzeit offen.
Postfinance nannte keine Details dazu, in welchen Sparten die 500 Stellen, die bis Ende 2020 wegfallen sollen, eingespart werden. Laut dem internen Dokument verteilt sich der Abbau je zur Hälfte auf die Bereiche Operation Centers / Back Office und die Sparte Geschäftskunden. Dort seien zum Beispiel Mitarbeiter in Callcentern betroffen. Sie würden weniger benötigt, weil Kunden zunehmend über das Internet die Bankdienstleistungen nutzten, so eine interne Quelle. 80 bis 100 Kürzungen im Bereich Operation Centers dürften den Standort Bern (Engehalde) treffen, meint Stefan Marti, Regionalsekretär der Gewerkschaft Transfair. In diesen Operation Centers werden zum Beispiel Kreditkartenanträge bearbeitet.
Änderungskündigungen drohen
Postfinance plant indes nicht nur einen Stellenabbau: Geplant sind laut dem internen Dokument auch 218 sogenannte Änderungskündigungen. Das heisst, Mitarbeitenden wird intern ein anderer Job angeboten. Nehmen sie ihn nicht an, so müssen sie gehen. Betroffen ist vor allem die Sparte Geschäftskunden. Postfinance erwartet, dass ein Viertel das Jobangebot nicht annehmen wird. Ein Sprecher betont, dass dies keinen weiteren Stellenabbau zur Folge habe, frei werdende Stellen würden neu besetzt.
Sowohl die Personalvertreter von Transfair als auch die Gewerkschaft Syndicom kritisieren die Kommunikation von Postfinance. Die Bank habe Ende Mai verlangt, dass Verhandlungsführer eine Vertraulichkeitserklärung unterzeichnen würden, bevor sie ihnen Details anvertraue. Dem haben sich die Arbeitnehmervertreter verweigert. Am Montag hat ihnen Postfinance dann Eckpunkte zum Abbau genannt. «Aber diese Informationen sind unzureichend, es fehlen Details wie das Alter der Betroffenen», so Marti. Postfinance entgegnet, dass die Information der Arbeitnehmervertreter korrekt abgelaufen sei.
«Den Stellenabbau muss die Politik zum Teil auf ihre Kappe nehmen.»
Syndicom attackiert direkt Postfinance-Chef Köng. Dieser setzt sich bekanntlich dafür ein, dass seine Bank auch Kredite vergeben darf, um mehr Erlösquellen zu erschliessen. In der Politik gibt es dafür nur wenig Rückhalt. «Wer sich damit nicht arrangieren kann, ist fehl am Platz», schreibt Syndicom.
Jürg Bucher, Ex-Chef von Postfinance und Verwaltungsratspräsident der Valiant-Bank, sieht den Eigner, also den Bund, in der Pflicht. Dass es nun zum Stellenabbau kommt, «das muss die Politik zum Teil auf ihre Kappe nehmen». Sie verlange von Postfinance hohe Ausschüttungen, durch das Kreditverbot schränke sie das Institut aber in der unternehmerischen Freiheit ein. Wegen der Digitalisierung stünde die Bankenbranche vor grossen Umwälzungen. Umso wichtiger sei es, dass Postfinance frei agieren könne, so Bucher.
Köng selbst äusserte sich gestern nicht gegenüber den Medien. Er will erst am Donnerstag zu den geplanten Streichungen Fragen beantworten.
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