
Es gehört zu den erstaunlichen Eigenheiten der italienischen Politik, dass linke Regierungen das Land immer schon liberaler regiert haben als vermeintlich liberale Kabinette. So stand Italien ausgerechnet unter dem selbst erklärten Macher, dem bürgerlichen Ministerpräsidenten und Medienunternehmer Silvio Berlusconi, viele Jahre lang still, ohne jeden Reformelan.
Wenn Matteo Renzi nun vorgeworfen wird, er sei «schlimmer als Berlusconi», wie das die orthodoxe Linke fast täglich tut, dann meint sie damit seine liberalere Ader. Renzis Arbeitsmarktreform, in deren Zentrum die Lockerung des schier sakrosankten Kündigungsschutzes stand, war den Kritikern ultimativer Beleg für ihre These.
Doch die Kritik kümmert Renzi nicht, sie bestärkt ihn. Er sieht sich ja als modernen Linken, als Sozialliberalen, als Reformer, der mit seiner Politik auch bürgerliche Wähler erreichen kann. Und diese Reformen, gerade die wirtschaftspolitischen, verkauft er bei jeder Gelegenheit mit schier überschwänglicher Verve.
Auf Wiedersehen, Clowns
Als Renzi im Februar 2014 Premier wurde, verhiess er dem Land auch eine schnelle Welle staatlicher Veräusserungen. Er gelobte, er werde gescheit privatisieren, nicht so wie seine Vorgänger. Er werde gross Kasse machen. Italien braucht das Geld, um ein bisschen etwas von seinem enormen Schuldenberg abzubauen, den es über die Jahrzehnte angehäuft hat: 2 Billionen Euro, über 130 Prozent seines Bruttoinlandprodukts – in Europa ist nur Griechenlands Schuldenquote höher. Brüssel drängt Rom nachgerade dazu, möglichst viele Staatsbeteiligungen abzustossen.
Nun, nach zögerlichem Start, setzt Renzi um, und zwar in rascher Folge. Die Welle begann mit Fincantieri, dem Schiffbauunternehmen, führte über den Verkauf eines kleinen Aktienpakets von Enel, dem Stromkonzern, zur Teilprivatisierung der Poste italiane, des grössten Arbeitgebers im Land. Nun folgen die staatlichen Eisenbahnen, die Ferrovie dello Stato. Bald soll Enav dran sein, die Gesellschaft der Flugsicherer. Und von Eni, dem grossen Erdölkonzern, will Renzi auch ein Stück verkaufen, wenn der Markt einmal etwas günstiger dafür ist. Ein Höllentempo, plötzlich.
Das kann man gut finden oder weniger gut. In Brüssel findet man es super. Wie weit entfernt wirken die Zeiten, als das restliche Europa mit Verwunderung und Verstörung auf das barock bis clownesk regierte, reformrenitente Italien blickte.
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Plötzlich dieses Höllentempo
Italiens Premier Matteo Renzi privatisiert Post und Bahnen. Brüssel staunt.