Pöbel-Passagiere: Schwarze Listen, hohe Kosten
Wer im Flieger randaliert – so geschehen am Samstag in einer Swiss-Maschine –, muss mit einer saftigen Forderung rechnen. 7 Fragen zu den «Unruly Passengers».

Nur noch rund eine halbe Stunde Flugzeit hatten die Passagiere von Swiss-Flug LX1327 am vergangenen Samstag eigentlich vor sich. Doch statt wie geplant in Zürich zu landen, ging es für die aus Moskau kommenden Reisenden erst einmal nach Stuttgart. Eine Passagierin in der Business Class hatte derart randaliert, dass die Piloten sich aus Sicherheitsgründen für eine ausserplanmässige Landung entschieden.
Die genauen Hintergründe sind nicht bekannt, aber die Reisende hatte sich wohl schon den ganzen Flug lang auffällig verhalten und dabei einen Champagner nach dem anderen bestellt. Als sie diesen nicht mehr bekam, brannte bei ihr die Sicherung offenbar endgültig durch. Laut einer Meldung der Polizei in Reutlingen wurde sie gegenüber Besatzungsmitgliedern handgreiflich und war nicht mehr zu beruhigen.
Für die anderen Passagiere bestand laut der Mitteilung aber zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr. Das liegt auch daran, dass Flugzeugcrews für Zwischenfälle mit sogenannten «Unruly Passengers» trainiert werden, denn: Leider kommen diese immer öfter vor. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema:
Wann gilt ein Passagier als «Unruly»?
Der Weltluftfahrtverband Iata definiert «Unruly Passengers» als Reisende, «die die Sicherheitsregeln an Bord nicht respektieren, den Instruktionen der Crew nicht folgen und auf diese Weise die Ordnung an Bord stören und so die Sicherheit gefährden». Der Verband stuft die Zwischenfälle auf einer Skala von 1 bis 4 ein. Level 1 bedeutet auffälliges Verhalten. Das heisst, ein Passagier pöbelt herum oder weigert sich, die Sicherheitsanweisungen der Crew zu befolgen. Wird der Fluggast handgreiflich, ist das Level 2. Das war laut Polizeimeldung etwa bei der Swiss-Passagierin der Fall. Bei Stufe 3 wird es dann richtig ernst. Die tritt ein, wenn der Passagier das Leben der Crew bedroht – etwa versucht, diese zu würgen, oder eine Waffe zeigt. Level 4 tritt ein, wenn die Gefahr besteht, dass ins Cockpit eingedrungen wird.
Was ist die Aufgabe der Crews in solchen Fällen?
Der Kapitän des Flugzeugs ist verantwortlich für die Sicherheit von Besatzung und Passagieren und ist autorisiert, zu entscheiden, wie mit ausfälligen Reisenden umgegangen wird. Im schlimmsten Fall kann die Crew die Passagiere auch überwältigen und fesseln. Entsprechendes Material befindet sich an Bord.
Wie oft kommt es zu Zwischenfällen mit «Unruly Passengers»?
Die Iata veröffentlicht seit 2007 jährlich Zahlen zu Zwischenfällen, die durch renitente Passagiere ausgelöst werden. Zwischen 2007 und 2016 meldet der Verband, zu dem mehr als 280 Airlines gehören, fast 60'000 Vorfälle. 2016 kam es zu 9837 Vorfällen oder einem Vorfall alle 1434 Flüge. Das ist etwas weniger als noch im Vorjahr, als es pro 1205 Flügen zu einem Zwischenfall kam, aber: Die Anzahl der als Level 2 eingestuften Vorfälle nahm laut der Iata zu, was dem Verband Sorge bereitet.
Wie kommt es zu dieser Entwicklung?
Eine wichtige Rolle dabei spielt der Alkoholkonsum der Reisenden. Lag der Anteil der Vorfälle, bei denen Alkohol eine Rolle spielte, 2015 noch bei 23 Prozent, waren es 2016 bereits 33 Prozent. Ein weiterer Faktor ist bei vielen Reisenden auch die Angst. Denn die immer weiter steigende Zahl an Passagieren sorgt dafür, dass auch immer mehr Menschen das erste Mal im Flugzeug sitzen. Und wenn einmal Panik einsetzt, hilft bei vielen Reisenden auch kein gutes Zureden mehr. Ein weiteres Problem: das Handyverbot. Viele Reisende kommen nicht klar damit, ihr Smartphone zumindest in den Flugmodus zu stellen, wenn die Maschine abhebt. Ein prominentes Beispiel dafür ist der Schauspieler Alec Baldwin. Er wurde vor einigen Jahren aus einem Flugzeug von American Airlines geworfen, weil er sich weigerte, sein Handy in den Flugmodus zu stellen. Er war gerade dabei, das Wortspiel «Words with Friends» zu spielen, und wollte einfach nicht aufhören.
Wie werden Crews trainiert?
Airlines bereiten Kabinen- und Cockpitbesatzung in der Ausbildung auf mögliche Zwischenfälle mit «Unruly Passengers» vor. «Unsere Crews werden generell auf die Thematik der renitenten Passagiere sensibilisiert und darin ausgebildet, unterschiedliche Situationen situativ zu beurteilen», erklärt Swiss-Sprecherin Karin Müller. Zunächst solle man versuchen, zu deeskalieren. Gelinge das nicht, würden aber auch Folgemassnahmen ergriffen. Details zu den Trainings gibt die Swiss nicht bekannt. In Asien gibt es teilweise Kampfsportkurse für die Crews, etwa von Hong Kong Airlines. Die Fluglinie bietet ihren Flugbegleiterinnen und Flugbegleitern auf freiwilliger Basis Kung-Fu-Kurse an.
Hong Kong Airlines bietet ihren Flugbegleiterinnen und Flugbegleitern auf freiwilliger Basis Kung-Fu-Kurse an.
Was tun Airlines dagegen?
Für besonders schwere Fälle gibt es bei Fluggesellschaften schwarze Listen. Auf denen stehen Passagiere, die nicht mehr an Bord gelassen werden. Welche Kriterien einen Passagier auf die Liste bringen, halten Fluggesellschaften allerdings geheim. Auch bei der Swiss-Mutter Lufthansa Group gibt es so eine Liste. In Asien steigt die Zahl der Pöbel-Vorfälle besonders schnell. Daher haben sich etwa in China im vergangenen Jahr mit Air China, China Eastern, China Southern, Hainan und Spring fünf Fluglinien zusammengetan. Sie teilen die Namen der schwierigen Passagiere miteinander. In Indien hat sogar die Regierung reagiert. «Unruly Passengers» drohen hohe Strafen. Bei verbaler Gewalt droht dem Problempassagier ein Flugverbot von bis zu drei Monaten, bei physischer sind es bis zu sechs Monate. Sollte die Situation lebensbedrohlich sein, ist ein Flugverbot von mindestens zwei Jahren die Konsequenz. Wiederholt ein Passagier das Vergehen, verdoppeln sich die Strafen.
Bemerken Flugbegleiter, dass ein Fluggast zu betrunken ist, verweigern sie diesem den Ausschank von weiterem Alkohol. Die irische Billigairline Ryanair ging sogar so weit, bestimmte Flüge ganz trockenzulegen. So schenkt sie etwa auf der Strecke Glasgow–Ibiza gar keinen Alkohol mehr aus, weil es dort immer wieder zu unangenehmen Zwischenfällen mit Betrunkenen kam.
«Verursacht eine Person an Bord einen Schaden, so kann die Swiss auf den Verursacher zurückgreifen.»
Wer kommt für die Kosten auf?
Kommt es im schlimmsten Fall – wie etwa nun bei der Swiss – zu einer ausserplanmässigen Zwischenlandung, entstehen dabei auch Kosten für die Fluggesellschaft, die je nach Flughafen und Länge des Aufenthalts mehrere Zehntausend Franken betragen können. Aber auch an Bord können Schäden entstehen. «Verursacht eine Person an Bord einen Schaden, so kann die Swiss auf den Verursacher zurückgreifen», so Sprecherin Müller. Im Fall von ausserplanmässigen Landungen werde «ein Rückgriff auf den Verursacher im Einzelnen geprüft.» Dass es für die Passagiere wirklich ins Geld gehen kann, zeigt ein Fall aus Australien. Nachdem ein Flugzeug auf dem Weg von Perth nach Sydney wegen eines betrunkenen Passagiers umkehren musste, wurde dieser von einem Gericht zu einer Strafe von fast 50'000 Franken verurteilt.
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