Polizei räumt Stuttgart-21-Baustelle
Der Weiterbau von Stuttgart 21 kommt voran. Die Polizei löste mit einem Grossaufgebot eine Blockade auf. Rund 600 Demonstranten wollten den Abbruch des Südflügels verhindern.
Die Polizei löste heute mit einem Grossaufgebot von 1700 Beamten eine Blockade von Projektgegnern am Hauptbahnhof der baden-württembergischen Landeshauptstadt auf. Rund 600 Demonstranten hatten über Nacht vor dem Südflügel ausgeharrt, der demnächst für den geplanten Tiefbahnhof abgerissen werden soll. Nach fünf Stunden war die Räumung beendet, die anders als vorhergehende Aktionen friedlich verlief. Lediglich zwei Demonstranten wurden in Gewahrsam genommen.
Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD), die Polizei sowie Vertreter der Parteien im Stuttgarter Landtag zeigten sich erleichtert. Gall dankte ausdrücklich auch den Demonstranten, dass sie die Anweisungen der Polizei zum friedlichen Ende der Proteste weitgehend befolgt hätten. Wenn dies zum Vorbild bei weiteren Massnahmen genommen werde, würde das Land «auch richtig Geld sparen». Das Aktionsbündnis kritisierte die Bahn derweil für ihr Vorgehen.
In dem Seitenflügel sollte im Laufe des Tages die Entkernung des Gebäudes beginnen, die bis Ende des Monats dauern dürfte. Danach soll in den folgenden acht Wochen der Südflügel geschossweise abgetragen werden. Ziel des milliardenschweren Bauvorhabens Stuttgart 21 ist es, den oberirdischen Kopfbahnhof durch einen unterirdischen Durchgangsbahnhof zu ersetzen.
Diskussion und Deeskalation
In der Nacht zum Freitag hatten etwa 600 Projektgegner vor dem noch übrig gebliebenen Seitenflügel des Bahnhofes ausgeharrt, um einen Abriss zu verhindern. Die Polizei, die mit einem Grossaufgebot aus mehreren Bundesländern angerückt war, rief zu einem Ende der Aktion auf. Nach zwei Stunden begannen die Beamten dann, die rund 250 verbliebenen Projektgegner wegzutragen oder wegzuführen. Sie erhielten einen Platzverweis und müssen mit einem Ordnungsgeld rechnen. Die Räumung, bei der die Polizei nach eigenen Angaben auf eine Strategie der Diskussion und Deeskalation setzte, erfolgte ohne handgreifliche Auseinandersetzungen.
«Wir können sehr zufrieden sein, wie der Einsatz verlaufen ist», sagte Stuttgarts Polizeipräsident Thomas Züfle. Einsatzleiter Norbert Walz sprach ebenfalls von einer ruhigen Lage. Bei dem Polizeieinsatz seien lediglich sechs Straftaten registriert worden. Insgesamt seien 79 Platzverweise ausgesprochen und die Personalien festgestellt worden.
Die Polizei will sich nach den Worten von Züfle weitgehend zurückziehen, wenn die Bahn einen stabilen Bauzaun um den Südflügel errichtet hat. Ein Zeitpunkt dafür ist aber noch offen. Eine Sprecherin des für Stuttgart 21 zuständigen Kommunikationsbüros der Bahn sagte auf DAPD-Anfrage, dass die Absperrung ab Freitag aufgebaut werde. Bis wann die Arbeiten abgeschlossen werden, sei noch nicht klar.
S-21-Gegner halten Abriss zu diesem Zeitpunkt für unnötig
Unzufrieden zeigte sich das Aktionsbündnis der Stuttgart-21-Gegner. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Bahn den Südflügel abreisse, obwohl immer noch baurechtliche Genehmigungen für ihre Vorhaben im benachbarten Schlossgarten fehlten, sagte Bündnissprecher Hannes Rockenbauch. Er verlangte: «Angesichts dieses Planungschaos muss die Bahn die Arbeiten umgehend aussetzen.» Auch BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender nannte den Abriss zu diesem Zeitpunkt «vollkommen unnötig». Das Gelände würde unter Umständen jahrelang eine innerstädtische Baubrache sein, solange nicht alle Genehmigungen vorlägen.
Auch die Grünen bekräftigten ihre Kritik an der Bahn, würdigten aber den Polizeieinsatz als besonnen. Grünen-Innenexperte Uli Sckerl sagte: «Die neue Strategie der Deeskalation und Transparenz hat ihre erste Bewährungsprobe bestanden.» Dies trage erkennbar zu einer Entspannung bei. Wichtig sei, dass Aktionsbündnis, Parkschützer und Polizei in den nächsten Tagen ihre Gespräche fortsetzen, damit die Transparenz erhalten und ausgebaut werden kann.
Der Enkel des Bahnhofs-Architekten Paul Bonatz (1877-1956), Peter Dübbers, bedauert derweil den bevorstehenden Abriss des Südflügels sehr. «Es ist ungeheuer schmerzlich zu sehen, dass die Arbeit meines Grossvaters abgerissen wird», sagte der 73-Jährige der Nachrichtenagentur DAPD.
Schlossgarten-Räumung noch offen
Der Polizeieinsatz im benachbarten Schlossgarten hat hingegen noch nicht begonnen. Die Bahn muss dort 176 Bäume für das Bahnprojekt fällen oder umsetzen. Ihr fehlt aber noch die Genehmigung dazu. Wann diese vom Eisenbahn-Bundesamt erteilt wird, ist unklar. Solange diese nicht vorliegt, sind dort Bauarbeiten verboten.
Die Polizei hatte es abgelehnt, das dortige Protestcamp zu räumen, wenn nicht unmittelbar danach dort gebaut wird. Vor dem 23. Januar wird es laut einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Stuttgart dort keine Räumung geben. Es muss noch über Eilanträge gegen das Aufenthalts- und Betretungsverbot für den Schlossgarten entscheiden.
dapd/rub/bru
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