Populismus am Sterbebett von Radio Energy
Die SP will Radio Energy vor dem Aus retten; doch statt konkrete Vorschläge zu machen, betreibt sie Betroffenheitspolitik. Anders die Bürgerlichen: Sie wollen einen Staatssender für Energy opfern.
Radio Energy erhält keine Konzession: Der Entscheid von Bundesrat Moritz Leuenberger (SP) hat weitherum für Empörung gesorgt – und die Zürcher Politik auf den Plan gerufen. Besonders umtriebig gebärdet sich die kantonale SP. Unter dem Applaus von 200'000 erbosten Energy-Hörern will die Partei die Zwangsschliessung des Zürcher Privatradios verhindern. Am Montag wird der Zürcher Kantonsrat über ein dringliches Postulat der SP verhandeln; der Regierungsrat, so die Forderung, soll beim Bundesamt für Kommunikation (Bakom) für einen vierten Sendeplatz im Konzessionsgebiet Zürich-Glarus sorgen.
Wie dies konkret geschehen soll, lässt die SP offen. Klar ist einzig das Ziel: Nebst Radio 1, Radio Zürichsee und Radio 24, das wie der «Tages-Anzeiger» zu Tamedia gehört, soll Radio Energy auf Sendung bleiben. SP-Nationalrat Mario Fehr will denselben Vorstoss in Bern platzieren.
SP will Volksnähe demonstrieren
Die Forderung der SP suggeriert, es lasse sich auf Knopfdruck ein weiterer Sendeplatz aus dem Hut zaubern. Wenn es diese Option gäbe, hätte Leuenberger sie wohl längst genutzt. Auf diese Weise hätte er nicht über das Schicksal von quietschfidelen Privatsendern zu richten gehabt. Erspart geblieben wäre ihm damit die Kritik, er betreibe eine staatlich gelenkte Medienpolitik und vernichte mit seinem Todesstoss für Radio Energy 60 Arbeitsplätze sowie zig Millionen Franken erarbeitetes Kapital.
Fakt ist: UKW-Frequenzen sind ein limitiertes Gut. In der Schweiz müssen sich knapp 60 Sender in das schmale Band zwischen 87,5 und 107,9 Megaherz pressen. Darüber oder darunter sind die Frequenzen anderweitig belegt: etwa von der Polizei, der Feuerwehr oder der Flugbranche. Hinzu kommt, dass deutsche Radiosender in den Grossraum Zürich hineinstrahlen, sodass es bei einer dichteren Belegung zu Überlappungen und damit zu Störungen des Sendeempfangs käme.
Die Problematik ist bekannt. Dass die SP dennoch blind nach einer neuen UKW-Frequenz ruft, lässt sich nur mit populistischem Kalkül schlüssig erklären: Sie versucht, ihren intellektuellen Anstrich zu übertünchen und sich als volksnahe Partei zu profilieren. Exemplarisch zeigt sich dies in der Gestalt von SP-Nationalrat Fehr. Der Adliswiler betreibt Betroffenheitspolitik in Reinkultur. Im Vorfeld des Konzessionsentscheids in Bern hat er kräftig für Radio 24 – mit 250'000 Hörern Platzhirsch unter den Privatradios – lobbyiert. Jetzt, da Radio Energy im medialen Scheinwerferlicht steht, legt er sich für den Ringier-Sender ins Zeug.
Auf fahrenden Zug aufgesprungen
Nach ihrer historischen Schlappe bei den Kantonsratswahlen 2007 sind die Bemühungen der SP um mehr Volksnähe zwar nachvollziehbar; sie wirken aber aufgesetzt und wenig glaubwürdig. Die SP delegiert das Problem an den Regierungsrat; Medienpolitik ist jedoch Bundessache. Die kantonale FDP hat dies bemerkt. Sie verzichtet auf Effekthascherei und wird das Postulat der SP nicht unterstützen.
Bezeichnend für den Populismus der SP ist, dass die Sozialdemokraten erst jetzt Lärm schlagen. In Phasen ohne Skandalpotenzial waren andere tonangebend, etwa Filippo Leutenegger (FDP). Seit geraumer Zeit setzt sich der Nationalrat als Präsident der Aktion Medienfreiheit zusammen mit weiteren Bürgerlichen für die Privatradios ein – oft hinter den Kulissen und mit konkreten Lösungsvorschlägen. So verlangt er in einer Ende September eingereichten Motion, dass künftig 50 Prozent der UKW-Frequenzen an Privatradios gehen müssen; heute sind es erst 30. Das zentrale Argument: Die SRG halte «unzählige gute UKW-Frequenzen besetzt, welche sich nicht alle mit dem eigentlichen öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag rechtfertigen lassen».
Tessiner Radio hat kaum Hörer
Leuteneggers Forderung ist ein Angriff auf das 2007 revidierte eidgenössische Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) – und den darin verankerten Service-public-Gedanken: Der Bund will mit landesweit empfangbaren Radioprogrammen in allen Landessprachen den helvetischen Zusammenhalt fördern. Die Konsequenz aus dieser Vorzugsstellung der Staatssender: Im Grossraum Zürich dröhnen Nischenprogramme aus den Boxen. Das Tessiner Radio RSI 1 etwa hat täglich bloss 30'000 Hörer zugeschaltet. Die SP weiss um diese Tatsache. Falls sie es mit ihrem Rettungsversuch von Radio Energy ernst meint, muss sie Abstriche im staatlichen Radioangebot mittragen, dies der Öffentlichkeit klipp und klar kommunizieren – und spätestens 2011 ihrer Klientel erklären.
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