Prediger, Autor, Mann des Geheimdienstes
Mit Alexander Turtschinow ist die ewige Nummer zwei der ukrainischen Politik an die Spitze gerückt. Julija Timoschenkos getreuer Gehilfe kennt sich aus mit Psychothrilllern.
Dass Alexander Turtschinow es zum Übergangspräsidenten brachte, verdankt er der Entmachtung des bisherigen Staatschefs Viktor Janukowitsch durchs Parlament. Der 49-Jährige ist die «rechte Hand» der wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilten ehemaligen Regierungschefin Julia Timoschenko. Sie kam im Zuge des Umsturzes durch die Janukowitsch-Gegner am Samstag vorzeitig aus der Haft frei.
Turtschinow gilt als Kompromisskandidat mit geringen politischen Ambitionen, aber umso grösserer Loyalität gegenüber Timoschenko. Er war ihr stellvertretender Ministerpräsident zwischen 2007 und 2010 und ist derzeit Vizevorsitzender ihrer Vaterlandspartei. In der Zeit ihrer Inhaftierung führte er die laufenden Geschäfte.
Als Übergangspräsident will Turtschinow die Ukraine auf EU-Kurs trimmen. Er kündigte bereits an, dass die Integration der Ukraine in die Europäische Union für ihn Priorität habe. Moskau müsse «die europäische Wahl der Ukraine berücksichtigen», sagte er in einer Fernsehansprache.
Es gibt Vermutungen, wonach Turtschinow Übergangspräsident wurde, um Politikern mit Ambitionen auf das Präsidentschaftsamt bessere Startbedingungen für die Wahl am 25. Mai zu ermöglichen. Die Spekulationen lauten, Turtschinow solle sich bis dahin ruhig an der Spitze eines Landes verschleissen, das nach dessen eigenen Angaben vor dem Staatsbankrott steht.
Timoschenko auf dem Laufenden halten
Auf jeden Fall kann Turtschinow in seiner jetzigen Position Timoschenko, deren weitere politische Zukunft noch nicht feststeht, ständig auf dem Laufenden halten. Denn, wie der politische Analyst Wolodimir Fesenko aus Kiew es ausdrückt: Turtschinow ist in erster Linie Timoschenkos «getreuer Gehilfe».
Turtschinow ist ein evangelikaler Prediger, der 2008 erfolglos für den Kiewer Bürgermeisterposten kandidierte. Er schrieb einige Psychothriller, wobei ihm seine siebenmonatige Tätigkeit an der Spitze des ukrainischen Geheimdiensts SBU im Jahr 2005 wohl anschauliche Inspiration lieferte.
Einer seiner Romane wurde sogar verfilmt. Auch wissenschaftliche Arbeiten verfasste er, unter anderem zur Schattenwirtschaft. Einer seiner Essays befasst sich mit der Beziehung zwischen Clans und politischer Macht.
Geboren wurde Turtschinow wie Timoschenko in der Industriestadt Dnjepropetrowsk. Für kurze Zeit arbeitete er in einer Stahlfabrik. Seine Karriere in der Politik startete er in den 1990er Jahren. 1993 wurde er Wirtschaftsberater von Präsident Leonid Kutschma. Später gründete er seine eigene Partei, der sich auch Timoschenko anschloss. 1998 wurden beide ins Parlament gewählt, und die Vaterlandspartei hoben sie danach gemeinsam aus der Taufe.
AFP/kle
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