PSG ist in Napolis Kloschüssel gefordert
Paris Saint-Germain spielt in Neapel um alles: um Glanz und Glorie und den teuer erkauften Traum des Emirs aus Katar. Das Stadion San Paolo bietet dafür eine nicht so glamouröse Bühne.
Stadien gibt es, die tragen ihre Hässlichkeit, ihre abschreckende Unwirtlichkeit mit Stolz. Das Stadion San Paolo von Neapel, draussen in Fuorigrotta, ist so eines. Mehr Schwitzbude als Galatempel, im Besitz der Stadt. Auch nach dem jüngsten Re-Styling, wie sie das in Neapel nennen, ist das San Paolo eine Arena wie aus einer anderen, weniger kommerziellen Zeit. Sympathisch unmodern, aber eben nicht sehr schön. Der Präsident der SSC Napoli, der römische Filmproduzent Aurelio De Laurentiis, der es bei der Gemeinde teuer mieten muss, nennt das Stadion recht unumwunden «un cesso», was hier zur Wahrung der Eleganz mit «Klo» übersetzt sei.
Aufgepumpt und blasiert
Heute Abend gastiert die blasierteste Königsklasse in der Kloschüssel. Das San Paolo erwartet einen Verein, der mit aller Macht versucht, Fussball mit Glamour zu verbinden und seine Stars dafür auch schon mal auf den Pariser Laufsteg schickt: das finanziell aufgepumpte und aufgeblasene Paris Saint-Germain. Dem Emir aus Doha, der den Club vor sieben Jahren kaufte, ging es immer nur darum, in Europa gross zu sein. Damit Katar mitglänzt und eine Adresse wird. Softpower nennt man das. Maximal fünf Jahre Zeit hatte sich der Emir einmal gegeben, um sich mit PSG ganz oben zu etablieren.
Für prominentes Personal gab er so viel Geld aus, dass das alle Regeln des Financial Fairplay sprengte. Aber er kam bisher damit durch, weil, nun ja, sich offenbar immer hohe Fussballfunktionäre finden lassen, die sich von den Sirenen des Golfs bezirzen lassen. Zwei der fünf weltbesten Fussballer des Moments, der Brasilianer Neymar und der Franzose Kylian Mbappé, spielen für Paris. Nicht etwa, weil es da im Alltag besonders viel Spass machen würde, Fussball zu spielen: In der nationalen Meisterschaft, der nicht sehr hoch kotierten Ligue 1, spielt man nur gegen sich selbst.
In der laufenden Saison etwa steht Paris nach zwölf Spieltagen noch ohne Punktverlust da: 36 Zähler. Tordifferenz: +34. Der Zweitplatzierte hat elf Punkte Rückstand, und der Winter hat noch nicht einmal begonnen. Nein, Neymar, Mbappé & Co. spielen bei PSG, weil sie da verrückt viel Geld verdienen und die Ambition des Emirs teilen. Sie wollen unbedingt über Frankreich hinauswachsen.
Verpuffte Ambitionen
Die Frist der fünf Jahre ist schon lange abgelaufen, weiter als in den Viertelfinal der Champions League hat man es noch nie gebracht. Nun aber spielt Paris in Neapel bereits in der Gruppenphase gegen die Einmottung. Okay, die Gruppenauslosung war nicht eben barmherzig, aber welch Selbstbewusstsein steckt doch im Motto: «Ici, c'est Paris.» Verliert man gegen Napoli, nachdem man schon gegen den FC Liverpool verloren hat, verpufft der Traum wohl auch für diese Saison. Man kann sich dann fragen, ob der Emir nicht plötzlich genug hat. Fragen kann man sich auch, ob dem deutschen Trainer Thomas Tuchel dann das einzigartige Schicksal widerfährt, dass er entlassen wird, obschon er die Meisterschaft gerade dominiert, wie das kein Verein in einer grösseren Liga zum Saisonstart jemals tat.
Tuchel charmiert
In Europa lassen ihn seine Besten im Stich. Die Sportzeitung «L'Equipe» schreibt, der viel gelobte Sturm mit Neymar, Mbappé und Edinson Cavani sei in Spielen gegen grosse Gegner «besorgniserregend ineffizient». Gut möglich, dass die Ligue 1 die Überflieger zu wenig fordert, sie gar in falscher Überzeugung wiegt. Dazu kommt, dass Tuchel seine Stars hofiert. Die «Libération» findet, er herze sie immer einen Tick zu innig, seine Hand bleibe immer eine Sekunde zu lang auf den Rücken liegen, in den Trainings werde viel und hysterisch gelacht.
«Das ist kein Fussball mehr», schreibt «Libération» über Trainer Thomas Tuchel. «Das ist schon Geflirte.»
«Das ist kein Fussball mehr», schreibt die Zeitung. «Das ist schon offenes Geflirte.» Tuchel beugt wohl vor. Sein Vorgänger Unai Emery, der nun Arsenal coacht, hatte nach seinem Weggang gesagt, Neymar und Kollegen hätten ihn schlicht ignoriert. Das soll Tuchel nicht passieren. Nach aussen lobt er seine Spieler stets überschwänglich und in zusehends besserem Französisch, das ist eine halbe Lebensversicherung.
Aber eben, sollte Paris im rauen Klima des San Paolo verlieren, stünde wahrscheinlich wieder alles zur Diskussion. Vom Rand der Kloschüssel, hoch oben neben der Curva B, Reihe 25, Sitz 18, Distinti Superiore, hört man den lauten Speaker des Clubs fast nicht. Daniele «Decibel» Bellini ist ein Star, er filmt sich gern selbst bei der Arbeit, damit dann auch die Fans auf Youtube etwas davon haben.
Doch im flachen, weit ausladenden Stadion verliert sich der Sound. Bildschirme gibt es im San Paolo auch keine, nur eine schmale Leuchttafel auf halber Höhe der Tribüne, darauf läuft nur die Uhr. Wer also wissen will, wer da unten gerade spielt, der sollte besser sehr gut sehen können oder sich anders zu helfen wissen. Die Leichtathletikbahn, die sich um den Rasen windet, hilft natürlich nicht.
Es ist schon etwas her, dass das San Paolo ganz voll war, obschon Napoli seit einigen Jahren den schönsten Fussball im Land spielt: wirblig, schnell und lustvoll. Das liegt daran, dass De Laurentiis die Kartenpreise stark erhöht hat. An diesem Dienstagabend aber ist alles anders und das Stadion wieder einmal ausverkauft. In den Kurven werden Fahnen mit dem Konterfei des Allzeitheiligen des Vereins hängen – von Diego Armando Maradona – neben solchen der Nostalgiker königlicher Vergangenheit, der Neobourbonen.
Die Heimkehrer
Einen freundlichen Empfang wird Edinson Cavani erhalten, so er denn überhaupt fit genug ist, um aufzulaufen. Drei Jahre lang hat der Uruguayer für Napoli gespielt und phänomenale 104 Tore erzielt, bevor er nach Paris wechselte, wo er deutlich weniger glücklich ist. Seine Kinder leben noch immer in Neapel bei seiner ersten Frau. Die Söhne, beide Fans von Napoli, sieht er selten, ist alles etwas kompliziert. Und so spekuliert man in Neapel immer wieder mal, ob Cavani zurückkehren könnte.
Eine kleine Rückkehr feiert nun Gianluigi Buffon, der Torhüter von PSG, sozusagen eine Heimkehr. «Gigi nazionale» spielt zum ersten Mal wieder in Italien, diesmal als Gegner. Nun, das war er in Neapel natürlich früher schon, als er noch für Juventus einlief und die Stimme von «Decibel» Bellini jeweils ganz unterging in der gellenden Schmähung des San Paolo.
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