Queere Liebe, Sucht und Polizeigewalt in New York
Krimi der Woche: LGBTQ-Aktivistin Sarah Schulman zeichnet in ihrem Roman «Trüb» ein düsteres Bild des Big Apple – samt Mord.

Der erste Satz
Alle waren komplett verwirrt, denn der Präsident war ein Irrer.
Das Buch
Ihren Job als Detektivin bei der New Yorker Polizei hat Maggie Terry verloren, weil sie alkohol- und drogenabhängig war. Jetzt ist sie zurück aus einem anderthalbjährigen Entzug und tritt eine Stelle als Ermittlerin in der Kanzlei eines befreundeten Anwalts an. Von den ersten fünf Tagen Maggies in ihrem neuen Job erzählt Sarah Schulman in ihrem Roman «Trüb». Craig, der alteingesessene Ermittler, ist alles andere als erfreut über seine neue Mitarbeiterin. Doch Maggie soll sich zusammen mit Craig eines Falls annehmen: Eine junge Schauspielerin wurde ermordet.
Der Fall wühlt in Maggie eigene Erinnerungen von Missbrauch und Verlassenwerden auf. Dass ihre Partnerin sich samt dem gemeinsamen Kind von ihr abgewandt hat, nagt immer noch täglich an ihr, ebenso der Tod ihres Partners bei der Polizei. Gleichzeitig versucht sie sich in einem New York, das sie kaum wiedererkennt, zurechtzufinden. Und der neue Präsident ist nur einer von vielen Gründen, die sie immer wieder in Versuchung führen, mit einem Drink oder mit Drogen die Realität auszublenden.
«Gegen ihn wirkte ein Haufen Süchtiger geradezu vernunftgesteuert.»
«Sucht ist wie der Sonnenaufgang: bekannt, vorhersehbar, nutzlos, verlässlich und eine Tatsache», heisst es einmal. Die Sucht ist ein zentrales Thema dieses Romans. Maggie hangelt sich von Treffen der Anonymen Alkoholiker (AA) zu denen der Anonymen Drogenabhängigen (Narcotics Anonymus, NA). Stabilität in ihr Leben zu bringen und nüchtern zu bleiben, ist nicht einfach. Die Einsamkeit macht die Situation auch nicht besser, sie bringt Maggie sogar dazu, bei einer «Nüchternen-Tanzveranstaltung» der AA vorbeizuschauen.
Dass vielleicht etwas viel psychologisiert wird in «Trüb», macht Sarah Schulman als versierte Autorin mit trockenem Humor und zuweilen auch ätzendem Sarkasmus wett. Zudem zeichnet sie ein düsteres Bild ihrer Heimatstadt. Und nachdem schon im ersten Satz des Romans der Präsident als «Irrer» bezeichnet worden ist, hält sich die radikale Autorin, die zudem eine bekannte und langjährige Polit- und LGBTQ-Aktivistin ist, mit Bemerkungen zur Politik auch sonst nicht zurück: «Gegen ihn wirkte ein Haufen Süchtiger geradezu vernunftgesteuert. Trump belohnte Ignoranz mit lautstarker Zustimmung, und viel zu viele Leute schienen ihn dafür zu lieben», lässt sie Maggie Terry etwa reflektieren. «Sie war lange genug Kripoermittlerin gewesen, um zu wissen, warum Leute brutale Tyrannen mochten, nämlich weil sie selbst gern welche wären, es aber nicht hinbekamen. Das ist die Natur von Unterwerfung.»
Die Wertung
Die Autorin
Sarah Schulman, geboren 1958 in New York City, studierte ohne Abschluss an der University of Chicago und hat einen BA des Empire State College in Saratoga Springs, New York. Sie ist Romanschriftstellerin (z.B. «The Sophie Horowitz Story», 1984; «The Cosmopolitans», 2016), Sachbuchautorin (z.B. «My American History: Lesbian and Gay Life During the Reagan/Bush Years», 1995; «Israel/Palestine and the Queer International», 2012), Dramatikerin («Carson McCullers», 2003), Drehbuchautorin (z.B. «Jason and Shirley», 2015), Journalistin und Dozentin für Englisch am College of Staten Island der City University of New York und Aidshistorikerin.
Sie ist Mitgründerin des New York Lesbian and Gay Experimental Film Festival und langjährige Polit- und LGBTQ-Aktivistin. Sie war unter anderem aktiv im Committee for Abortion Rights and Against Sterilization Abuse, bei Act Up – The AIDS Coalition to Unleash Power, gründete 1992 mit fünf anderen Frauen die Aktionsgruppe Lesbian Avengers und ist im Beirat der Organisation Jewish Voice for Peace. Für ihre Arbeiten ist sie mit mehreren Preisen ausgezeichnet worden. Sarah Schulman lebt in New York.

Alle weiteren Besprechungen finden Sie in der Collection «Krimi der Woche».
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch