Hochwasser in DeutschlandLügen aus dem Lautsprecher
Aktivisten aus der Querdenker-Szene sind in die deutschen Flutgebiete gereist. Sie verbreiten Falschmeldungen, diskreditieren den Staat und behindern die Einsatzkräfte.

Da wäre zum Beispiel das falsche Polizei-Auto, das in den vergangenen Tagen an der Ahr unterwegs war, dem überfluteten Nebenfluss des Rheins. Auf den ersten Blick täuschend echt, auf den zweiten Blick stand darauf aber nicht «Polizei», sondern «Peace», Friede. Ein selbst ernannter «Peace Officer» war im Einsatz. Für die «Friedens- und Wahrheitsbewegung», wie er seine Anhänger im Netz wissen liess, und zu dieser «Wahrheit» gehörte für ihn auch, dass die Flutkatastrophe durch gezielte Wettermanipulationen ausgelöst worden sei. Zuletzt warnte die Polizei Koblenz auf Twitter vor ihm: «Fahrzeuge mit Lautsprechern, die polizeilichen Einsatzfahrzeugen ähneln, verbreiten die Falschmeldung, dass Polizei- und Rettungskräfte die Anzahl der Einsatzkräfte reduzieren.»
Da wäre auch der pensionierte Bundeswehr-Oberst Maximilian Eder, «Führer Kommandozentrale und Stabsgruppe» nannte er sich selbst vor wenigen Tagen in seinem «Befehl Nr. 1 zur Durchführung von Unterstützungsleistungen», veröffentlicht im Internet. In überfluteten Gebieten soll er mit schlammgrünen Fahrzeugen aufgetaucht sein, die denen der Bundeswehr ähnelten. Nur weil sie nicht das übliche «Y» im Nummernschild hatten, wurden die wirklichen Einsatzkräfte bald stutzig. Inzwischen gibt es Vorwürfe, der «Führer Kommandozentrale» würde sich nicht nur im Netz als Held aufspielen, sondern auch im Weg herumstehen und anderen die Arbeit erschweren.
Es ist eine grosse Inszenierung im Gang. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz spricht von einer «überregionalen Anreise von Angehörigen der ‹Querdenken-Szene› in die Flutgebiete», angebliche Unterstützungsleistungen würden von Aktivisten genutzt, «um sich über soziale Medien beim Arbeitseinsatz selbst darzustellen».
Nicht nur Angehörige der klassischen rechtsextremen Parteien wie Die Rechte, Der III. Weg oder NPD sind insbesondere aus Bayern, Baden-Württemberg und Hessen angereist, haben Selfies geschossen, Videos gedreht und nach ihrer eigenen Darstellung als «heimattreue Mitstreiter angepackt, wo der Staat und seine Bürokraten masslos versagt haben», wie auf rechtsextremen Seiten zu lesen war.
Extremisten eines neuen Typs
Querdenker haben ganze Reisebusse gechartert, von Berlin über Leipzig ins zerstörte Ahrweiler führte eine Route. Die Slogans lauten «Honk for hope» (Hupen für die Hoffnung), «Menschen für Menschen», «Nationale Hochwasserhilfe», teils haben die Aktivisten nicht nur «psychologische Betreuung» für betroffene Kinder angeboten, sondern auch behauptet, sie hätten «Handgeld» an Flutopfer verteilt.
Die Erzählung, die sich damit stets verbindet, lautet: Der Staat sei in der Not nicht zu gebrauchen. Darum brauche es Selbsthilfe – Menschen, die das Gesetz in die eigene Hand nehmen. In Nordrhein-Westfalen und anderswo gehen die Sicherheitsbehörden inzwischen davon aus, dass die Querdenker ein neues Thema für sich kapern wollen.
Als politisches Ziel der Querdenker sieht das Bundesamt für Verfassungsschutz die «Delegitimierung des Staates».
Corona sei für sie ohnehin nur ein Vorwand gewesen. Als politisches Ziel, das die Querdenker verfolgen würden, sieht das Bundesamt für Verfassungsschutz die «Delegitimierung des Staates». Das seien keine klassischen Rechtsextremen, sondern Extremisten eines neuen Typs, mit eigener Agenda.
In den vergangenen Monaten haben bereits mehrere Landesverfassungsschutzbehörden die Querdenker ins Visier genommen, angefangen mit Baden-Württemberg, wo die Protestbewegung ihren Ursprung hat. Dort hat gerade der Querdenker-Arzt Bodo Schiffmann knapp 700'000 Euro an Spenden über die Bezahlplattform Paypal gesammelt. Bei der Staatsanwaltschaft Heidelberg sind mehrere Anzeigen eingegangen. Der Vorwurf: Das Geld würde nicht wie versprochen «zu 100 Prozent» den Hochwasseropfern zugutekommen.
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