Quique wer? So tickt Barças neuer Trainer
Ausserhalb Spaniens ist er nahezu unbekannt, in seiner Heimat eine Sensation. Quique Setién ist der logische Nachfolger von Barcelonas entlassenem Coach Ernesto Valverde.

Fassungslos. Niedergeschlagen. Gedemütigt. Wie ein Rudel geprügelter Hunde schleichen die Stars des FC Barcelona vom Rasen des heimischen Camp Nou. Soeben wurden sie vorgeführt, dabei ist das Resultat von 3:4 noch mit das Beste, was ihnen passieren konnte – es ist die erste Heimniederlage seit mehr als zwei Jahren. Sie kennen es zu verlieren, aber die Künstler des FC Barcelona sind sich nicht gewohnt, spielerisch massiv unterlegen zu sein. Besonders nicht in der heimischen Liga. Und schon gar nicht gegen Betis Sevilla. Dennoch besitzt Sergio Busquets, noch einer der wenigen Wächter der spielerischer Identität Barças, genug Grösse, im Spielertunnel einem Kontrahenten ein Geschenk zu machen. Er signiert das eigene Shirt mit der Nummer 5 und schreibt: «Für Quique Setién. Weil ich deinen Mut und deine Ansicht des Fussballs bewundere.» Das Geschenk ist für den gegnerischen Trainer. Und es zeigt etwas ganz Seltenes: Hochachtung im Moment der Demütigung. Seither ist klar: Setién wird irgendwann Barça-Coach. Das war im November 2018. Jetzt ist er es.
Sein Weg dahin war lange. 61 Jahre alt, ist er mittlerweile, die meiste Zeit blieb seine Trainerkarriere unbeachtet. 2001 begann er bei Racing, für den Verein aus seiner Geburtsstadt Santander bestritt er schon als Aktiver über 300 Spiele. Später coachte Setién unter anderem für drei Monate das Nationalteam von Equatorial Guinea und führte Lugo von der dritten in die zweite spanische Liga. Sein Debüt in der Primera Division gab er im Oktober 2015 bei UD Las Palmas. Mit den Insulanern spielte er zwar gegen den Abstieg, aber mit einem Spielstil eines Spitzenclubs – die Liga staunte erstmals und rund zwei Jahre später gelang ihm mit Betis endgültig der Durchbruch.
Schön und erfolgreich
In Sevilla verwandelte er einen verstaubten Traditionsverein zur glanzvollen Alternative zu den strahlenden Spitzenclubs um Real Madrid, Barcelona und Atlético Madrid. Die anfängliche Skepsis störte ihn nicht, im Gegenteil. Es passte, um eines seiner Mottos ausleben zu können, das er in vielen Interviews propagiert: «Ich liebe es, die Leute zu überzeugen, die am wenigsten an mich glauben.» Und tatsächlich: Nach kurzer Zeit spielte Betis für viele Experten den schönsten Fussball des Landes. 2017 gelang Sétien das erste Ausrufezeichen, als sein Team Real Madrid im Bernabéu phasenweise an die Wand spielte und dank einem Treffer in der 90. Minute verdient gewann. Die Saison krönten die Andalusier mit der Qualifikation zur Europa League – erstmals seit fünf Jahren.
Sein Fussball war schön und erfolgreich. Und spätestens jetzt galt er als logischer Nachfolger, sollte sich Barça vom bereits bei vielen Fans unbeliebten Ernesto Valverde trennen. Die Sportzeitung «Marca» beschreibt ihn als den Mann, der Barcelonas Spiel-DNA nicht nur am nächsten kommt, sondern sie in sich trägt, ohne jeweils blau-bordeaux getragen zu haben. Obwohl er das gerne hätte. Gegen Ende seiner Karriere, als er gegen das Barça von Trainer Cruyff spielte, sagte er dem Holländer: «Ich hätte meinen kleinen Finger hergegeben, um einmal in deinem Team spielen zu dürfen.»
Plötzlich in der Kritik
Auch in Europa sorgte Betis für Furore, gewann die Gruppe deutlich vor der einst grossen AC Milan – den siebenfachen Champions-League-Sieger führte Betis gleich in beiden Spielen vor. Zum Sieg reichte es aber nur einmal (2:1), einmal blieb es bei einem 1:1. Dabei waren die Resultate die schlechteste Nachricht für Setiéns Team. Wie so oft – was das einzige ist, was dem Bewunderer von Barça-Legende Johan Cruyff vorgeworfen werden kann. In der vergangenen Saison wurde dann die Kritik immer lauter. Mitte Mai 2019 zog er die Konsequenz und trat zurück – und verzichtete damit auf den ganzen Lohn seines letzten Vertragsjahres.
Setién mag es nicht, an Resultaten gemessen werden. Seine Aufgabe als Baumeister sieht er darin, seinen Spielern alle notwendigen Werkzeuge mitzugeben. Er findet, dass im hysterischen, resultatorientierten Fussballbusiness Glück gerne mit Effizienz verwechselt wird. Wenn Betis zum Start der Saison 2018/19 gegen Levante trotz 22:6 Schüssen, 77:23 Prozent Ballbesitz und 60:40 Prozent Zweikampfquote 0:3 verliert, wird es schnell hektisch. Zu ineffizient, schön aber Harakiri, sei Sétiens Fussball. Der gleiche Fussball, der keine zwei Monate später als Symphonie gefeiert wird, wenn er zum überraschenden Sieg gegen Barça führt. «Manchmal ist Fussball unfair, aber auf lange Sicht führt gute Arbeit öfter zum Erfolg, als zum Scheitern», sagte er. Deshalb bleibt er auch im Moment der Kritik ruhig, geht seinen Weg unbeirrt weiter. Er hat ihn weit gebracht. Von Santander, über Equatorial Guinea, bis zum FC Barcelona, einem der grössten Clubs der Welt.
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