Rajoy kämpft um sein politisches Überleben
Nach den Korruptionsvorwürfen fordert die Opposition seinen Rücktritt, Demonstranten auf den Strassen bezeichnen ihn als «Schande». Spaniens Regierungschef Rajoy muss um seinen Ruf als integrer Politiker fürchten.

Nach gut einem Jahr im Amt hat er bislang jedem Sturm getrotzt: der Krise, der Arbeitslosigkeit, der Wut auf der Strasse. In diesen Tagen geht es für den spanischen Regierungschef Mariano Rajoy darum, inmitten eines Korruptionsskandals seinen Ruf als integre Persönlichkeit zu wahren.
Die Opposition fordert Rajoys Rücktritt. Rajoy bekomme die Krise nicht in den Griff und sei nicht in der Lage, das Land «zu diesem heiklen Zeitpunkt» zu führen, sagte Oppositionsführer Alfredo Pérez Rubalcaba vor Journalisten. Mit Rajoy als Ministerpräsidenten könne die politische Krise nicht gelöst werden.
Während er sich zuhause Rücktrittsforderungen ausgesetzt sieht, ist Rajoy morgen Montag zu Gast in Berlin. Bei den Gesprächen mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel dürfte es unter anderem um die schwächelnde spanische Wirtschaft gehen.
«Mehr Geld verdient in meinem Beruf»
Zwei Tage lang schwieg er zu den Korruptionsvorwürfen, am Samstag schliesslich äusserte sich Rajoy - allerdings nicht vor der Presse, sondern auf einer Vorstandssitzung seiner Partei. «Ich bin nicht in die Politik gegangen, um Geld zu verdienen», sagte Rajoy und wies zurück, jemals Schwarzgeld erhalten oder verteilt zu haben. «Ich habe mehr Geld verdient in meinem Beruf als ich das als Politiker tue», sagte er mit Blick auf seine frühere Arbeit in Liegenschaftsämtern. «Ich habe nie damit angegeben, und ich bin etwas zurückhaltend, das zu tun, aber Sie werden verstehen, dass ich das heute tun muss.»
Der Jesuitenschüler und spätere Jurist Rajoy verdiente sich seine politischen Sporen in jungen Jahren als Mitglied der von Sympathisanten des spanischen Diktators Francisco Franco gegründeten Partei der Volksallianz. Später war er Abgeordneter im autonomen Parlament Galiciens. Im ersten Kabinett des konservativen Regierungschefs José María Aznar von 1996 bis 2000 stieg Rajoy zum Bildungs- und Kulturminister auf. In Aznars zweiter Amtszeit bis 2004 war er Vize-Regierungschef, von 2001 bis 2002 zusätzlich Innenminister.
«Rajoy mangelt es an Führung»
Privat liebt der aus der Pilgerstadt Santiago de Compostela in Nordspanien stammende Rajoy nach eigenen Angaben Zigarren, Radfahren und den Fussballklub Real Madrid. In die Schlagzeilen geriet der zweifache Familienvater 2005, als er einen Hubschrauberabsturz in der Nähe von Madrid unbeschadet überstand - bis auf einen ausgekugelten Mittelfinger.
Rajoy gilt nicht gerade als mitreissendes Temperament. Der 56-jährige Konservative ist kein sonderlich guter Redner und hat als Politiker das Image eines wenig überraschenden Technokraten. «Mariano Rajoy mangelt es an Führung», urteilte der Politikwissenschaftler Fernando Vallespin vor wenigen Monaten. «Er handelt wie ein Parteipolitiker, nicht wie ein Staatsmann.»
Zweimal verlor Rajoy bei den Parlamentswahlen, bevor er sich im November 2011 gegen die Sozialisten durchsetzte und an die Spitze der Regierung rückte. Einmal im Amt nahm er auf Druck der EU strikte Kürzungen, Steuererhöhungen und andere Massnahmen vor, um das spanische Defizit zu senken und über drei Jahre 150 Milliarden Euro einzusparen. Seit seinem Amtsantritt muss er eine schlechte Nachricht nach der anderen verkünden - sei es die inzwischen bei mehr als 26 Prozent liegende Arbeitslosigkeit, die sich verschlimmernde Rezession oder schlechte wirtschaftliche Aussichten.
«Schande von Spanien»
Das Jahr 2012 überstand Rajoy, zu Beginn des Jahres 2013 muss er nun im Korruptionsskandal um sein politisches Überleben kämpfen. Spanischen Medien zufolge geht es dabei um einen mutmasslichen Schwarzgeldskandal innerhalb von Rajoys konservativer Volkspartei (PP). Die PP soll über Jahre Gelder von Unternehmern an Parteifunktionäre ausgezahlt haben. In diesem Zusammenhang fiel auch der Name Rajoy.
Rajoy sieht sich wütenden Protesten von Bürgern ausgesetzt, die genug haben von den beispiellosen Sparmassnahmen, der Rekordarbeitslosigkeit und regelmässigen Korruptionsskandalen innerhalb der grössten Parteien. In mehreren Städten des Landes gingen am Wochenende Tausende Spanier auf die Strasse. Die spanische Zeitung «El País» zeigte auf ihrer Website Videoaufnahmen, auf denen zu sehen war, wie Demonstranten durch eine Strasse in der Hauptstadt Madrid zogen. Die Protestierenden trugen Schilder auf denen unter anderem «Schande von Spanien» zu lesen war, wie die Zeitung «El Mundo» auf ihrer Internetseite berichtete. Auch in Barcelona versammelten sich Menschen zu einer Protestaktion.
Des Rückhalts seines politischen Umfelds kann sich der Regierungschef indes sicher sein: «Ich arbeite seit zwölf Jahren mit ihm, und was ich in dieser Zeit gesehen habe, war ein stets vorbildliches Verhalten», sagte Vize-Regierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría. Rajoy selbst schreibt in seiner Autobiografie, er habe von seinem Vater einen «ausgeprägten Sinn für die Einhaltung von Regeln» geerbt.
AFP/kpn
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