Rassismuskommission hat Ärger mit eigenem Muslim-Vertreter
Fatih Dursun vertritt die Muslime in der Kommission gegen Rassismus. Er kritisiert die Schweizer Rechtsprechung und befürwortet Sonderregelungen für Muslime.
Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) kommt nicht zur Ruhe: In der Dezemberausgabe der offiziellen Kommissionszeitschrift sprach der Freiburger Ethnologieprofessor Christian Giordano dem «Rechtspluralismus» das Wort und forderte die teilweise Einführung der Scharia für Schweizer Muslime. Jetzt bangt man in der EKR um Ansehen und Legitimität dieses vom Bundesrat eingesetzten Gremiums - ruft doch die SVP schon seit Jahren nach dessen Abschaffung. An der Sitzung dieser Woche will EKR-Präsident Georg Kreis darum eine schriftliche Stellungnahme verabschieden lassen, worin sich die Kommission unmissverständlich von den Äusserungen des Ethnologieprofessors distanziert.
Allerdings dürfte sich wenigstens ein EKR-Mitglied für diesen Positionsbezug nicht erwärmen: Fatih Dursun, türkisch-schweizerischer Doppelbürger und Vorstandsmitglied der Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich. Im Gespräch mit dem TA äussert der 33-Jährige grosse Sympathien für Giordanos Vorschläge.
In einer E-Mail gibt er sich dann freilich vorsichtiger. Er beschränkt sich nurmehr darauf, den Rechtspluralismus zu erklären. Dursun schreibt: «Es geht im Kern darum, den kulturellen und religiösen Eigenheiten der Minderheiten Rechnung zu tragen.» Falls denn für die Schweiz der Rechtspluralismus kein Modell sein dürfe, so müsste doch wenigstens «das Schweizer Rechtssystem flexibel genug gestaltet werden, um die kulturelle und religiöse Vielfalt und daraus entstandene unterschiedliche Ansprüche anzuerkennen». Konkret nennt Dursun die Möglichkeit zur Schwimmdispens für muslimische Schülerinnen und Schüler.
Unter gemässigten Musliminnen und Frauenrechtlerinnen sorgen aber schon allein diese schriftlichen Ausführungen für Unmut. Rosmarie Zapfl, Präsidentin Schweizerischen Frauendachverbandes Alliance F, hält es für «bemerkenswert, dass in der Kommission gegen Rassismus ein Mann sitzt, für den allem Anschein nach nicht alle Menschen gleich sind».
Die aus dem Jemen stammende Politologin Elham Manea kritisiert Dursuns Frauenbild: «Allein die Forderung nach einem Schwimmdispens für Mädchen ist eine grobe Diskriminierung. Und wie stark kämen die Frauen erst unter die Räder, wenn für sie nicht mehr der Schweizer Rechtsstaat gelten sollte, sondern die patriarchale Werteordnung konservativer Muslime.»
Verzicht auf Kopftuch als Sünde
Saïda Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, liest Dursuns E-Mail wie folgt: «Die schweizerische Verfassung ist für euch Christen schon in Ordnung, uns genügt sie aber nicht, weil sie zu tolerant ist.» Dabei ist Keller-Messahli überzeugt: Dursun habe sich hier noch zurückhaltend geäussert. «Für mich steht ausser Frage, dass er sich unter Gleichgesinnten schärfer ausdrücken würde.» Jedenfalls vertritt Dursun einen sehr konservativen Islam. Vor fünf Jahren liess er sich in der «NZZ am Sonntag» mit dem Satz zitieren: «Verzichtet eine Frau auf das Kopftuch, wäre dies eine Sünde, für die sie sich vor Allah rechtfertigen müsste.»
Nach Ansicht von Elham Manea fördert eine Sonderbehandlung für Muslime die Bildung von Parallelgesellschaften und damit Ressentiments zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen. «Es ist absurd», sagt sie. «Mit Herrn Dursun sitzt offenbar jemand in der Kommission gegen den Rassismus, der den Rassismus fördert.»
Schwimmdispens-Forderung legitim
EKR-Präsident Georg Kreis weist darauf hin, dass Dursun nur eines von 15 Kommissionsmitgliedern ist. «Es besteht also keineswegs die Gefahr, dass die Meinung einer kleinen Minderheit plötzlich zur Kommissionshaltung werden könnte.» Im Übrigen findet es der Basler Geschichtsprofessor für einen Muslim durchaus legitim, den Schwimmdispens zu fordern. «Das gehört zum Rahmen des Erwartbaren und Tolerierbaren.»
Selbst wenn die Einstellung eines EKR-Mitglieds in gewissen Fragen von denjenigen der Bevölkerungsmehrheit abweiche, so ist es für Kreis immer noch besser, diese Person zu integrieren, als sie auszugrenzen.
Saïda Keller-Messahli kann mit diesen Erklärungen wenig anfangen: «Es gäbe genug weltoffene Muslime in der Schweiz, die den Platz in der Antirassismus-Kommission besser besetzen könnten.»
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