Reformierte sagen Ja zur «Ehe für alle»
Die evangelische Kirche in der Schweiz stimmt für die Öffnung der Ehe. Im Vorfeld hatte es Protestbriefe gegeben.

Es ist bemerkenswert: Die reformierte Kirche unterstützt die «Ehe für alle» in der Schweiz. Die Abgeordnetenversammlung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes befürwortet den Vorschlag des Kirchenrats mit 49:11 Stimmen. Und wer künftig zivilrechtlich heiraten kann, soll das auch in der Kirche tun können, lautet die Empfehlung an die Mitgliedskirchen. Das ermöglicht homosexuellen Paaren eine kirchliche Trauung, sobald das Gesetz entsprechend angepasst ist.
Die Mehrheit des Kirchenparlaments folgte dem entsprechenden Antrag des SEK-Rats (Exekutive) mit 45 zu 10 Stimmen bei 4 Enthaltungen. Es gehe hier nicht um einen Entscheid zur Einführung der kirchlichen Ehe für Homosexuelle, betonte SEK-Ratsmitglied Sabine Brändlin. Diese Kompetenz liege bei den Kantonalkirchen.
Der Kirchenbund empfiehlt den Mitgliedkirchen, den allfälligen neuen zivilrechtlichen Ehebegriff für die kirchliche Trauung vorauszusetzen. Die Pfarrerinnen und Pfarrer sollen aber weiterhin auf ihr Gewissen hören können. Die Gewissensfreiheit solle wie für alle anderen kirchlichen Amtshandlungen selbstverständlich gewahrt bleiben.
Gestrichen wurde eine Empfehlung, die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare in die Trauregister einzutragen und sie liturgisch gleich zu gestalten wie die Trauung heterosexueller Paare. Eine Mehrheit erachtete diese Empfehlung als überflüssig. Das Dokument zur «Ehe für alle» passierte in der Schlussabstimmung schliesslich mit 49 zu 11 Stimmen.
Kontroverse Debatte
Der Abstimmung ging eine lebhafte Debatte voran. Ein Delegierter aus Obwalden plädierte dafür, den Entscheid ganz den Kirchgemeinden zu überlassen. Er rief zu gegenseitiger Toleranz auf: Eine theologische Minderheit dürfe nicht ausgegrenzt werden. Andere warnten vor einer gegenseitigen Zerfleischung und wollten Zeit gewinnen.
Die Befürworterinnen und Befürworter bezogen sich auf frühere Positionsbezüge des Kirchenparlaments, wonach sich der Mensch seine sexuelle Orientierung nicht aussuche. «Damit haben wir bereits Ja gesagt zur Gleichwertigkeit», betonte eine Delegierte der Nordwestschweiz. Alles andere sei eine Diskriminierung.
Der Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, Gottfried Locher, hatte sich im August deutlich für die gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen – samt Trauung. Es stehe der Landeskirche gut an, den neuen gesellschaftlichen Konsens ernst zu nehmen, so Locher im Interview mit dieser Redaktion.
Protestnote und Gegenerklärung
Die Ehe sei für die Reformierten keine Bekenntnisfrage, gehöre nicht zu den Grundfragen des Glaubens. Homosexualität, argumentierte Locher, entspreche dem Schöpfungswillen Gottes. Allerdings waren sich die reformierten Kantonalkirchen in der Frage uneins. In der Romandie und auf dem Land wehrten sich viele Reformierte gegen die neue Eheform.
Das zeigen auch die Protestnote und die Gegenerklärung, die in den letzten Tagen publik wurden. Über zweihundert Pfarrer bezeichneten die Öffnung in einem Schreiben als «Segen ohne Segenszusage Gottes» und darum einen «Missbrauch» von Gottes Namen. Die Antwort von rund 400 Befürwortern folgte prompt: Keine menschliche Erkenntnis – auch keine theologische – dürfe «je Grund sein, zwei liebenden, mündigen Menschen den Segenszuspruch zu verweigern».
Für die meisten Freikirchen ist Homosexualität Sünde, obendrein eine therapierbare.
Dass sich die reformierte Kirche dieser Diskussion überhaupt gestellt hat, ist einigermassen aussergewöhnlich. Die meisten anderen Kirchen tun sich schwer mit dem Thema. Die Schweizer Bischöfe etwa drücken sich um eine Stellungnahme, indem sie sich nur für die sakramentale Eheschliessung für zuständig erklären, nicht aber für die Zivilehe. Für die meisten Freikirchen ist Homosexualität Sünde, obendrein eine therapierbare.
Heute steht die Ehe in der Schweiz nur heterosexuellen Paaren offen. Seit 2007 ermöglicht es die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlichen Paaren, ihre Beziehung mit gegenseitigen Rechten und Pflichten rechtlich abzusichern, jedoch mit klaren Unterschieden zur Ehe.
Auf zivilrechtlicher Ebene hatte sich die Rechtskommission des Nationalrats Ende August für die «Ehe für alle» ausgesprochen. Der Gesetzesentwurf geht auf eine parlamentarische Initiative der Grünliberalen zurück. Heute steht die Ehe in der Schweiz nur heterosexuellen Paaren offen.
Der Nationalrat wird voraussichtlich in der Frühjahrssession 2020 über die Gesetzesvorlage beraten. In der Vernehmlassung hatten sich mit Ausnahme von SVP und EVP alle Parteien für die Einführung der «Ehe für alle» ausgesprochen. Aus der nationalrätlichen Vorlage ausgeklammert wurden Fragen der Fortpflanzungsmedizin. Sie sollen später geregelt werden.
(Mit Material der SDA)
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch