Regieren nach dem Prinzip Hoffnung
Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf und Staatssekretär Michael Ambühl haben bei den diversen Steuerstreitigkeiten schon wiederholt falsche Hoffnungen geschürt. Wieso sollen wir ihnen diesmal vertrauen?

Die Schweiz und die Bundesrepublik Deutschland haben heute in Bern ein Ergänzungsprotokoll zum Vertrag über eine Abgeltungssteuer unterzeichnet. Und die Bundespräsidentin tönte dabei so, als sei das Abkommen mit Deutschland nun endlich im Trockenen. Eveline Widmer-Schlumpf hofft wohl insgeheim darauf, dass sich auch im deutschen Bundesrat dafür eine Mehrheit findet, wenn der Wahlkampf in verschiedenen deutschen Bundesländern einmal abgeklungen ist. Nur ist das zurzeit nicht mehr als ein frommer Wunsch der Finanzministerin.
Auch das Brimborium mit der Vertragsunterzeichnung kann nicht verdecken, dass die Strategie im Steuerstreit mit EU-Ländern, aber auch mit den USA erheblich Schlagseite bekommen hat. Das Hin und Her mit dem Abgeltungssteuerabkommen mit Deutschland, das Treten an Ort mit den USA im Steuerstreit, der ungelöste Konflikt mit Italien, aber auch die Attacken von Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy gegen die angebliche Steueroase Schweiz lassen den Verdacht aufkommen, die Bundespräsidentin operiere vor allem nach dem Prinzip Hoffnung.
Schlüssel zur Entschlüsselung
Freilich ist es nicht die Schuld von Eveline Widmer-Schlumpf, wenn die Schweiz seit über einem Jahrzehnt wegen des Bankgeheimnisses und des Treibens der Banken im Würgegriff der internationalen Staatengemeinschaft steckt. Ihr bisheriges Versagen, sofern man von Versagen sprechen darf, beruht vor allem darin, dass sie falsche Erwartungen im Publikum weckt. Teilerfolge wie der Vertrag mit Grossbritannien werden zu politischen Coups aufgebläht, Gespräche mit dem US-Finanzminister Timothy Geithner bereits als Fortschritte im US-Steuerstreit gewertet.
Fortschritte sind das jedoch nicht, was man aus den USA vernimmt. In den letzten Tagen konnte man in Medien sogar lesen, dass die USA die Verhandlungen sogar ganz abgebrochen hätten. Die USA werfen offenbar der Schweiz vor, auf Zeit zu spielen, und geben sich nicht mehr zufrieden mit den bisher gelieferten codierten Daten und den E-Mails zwischen Bankberatern und Kunden. Sie wollen den Schlüssel zur Entschlüsselung sofort. Im Departement von Finanzministerin Widmer-Schlumpf versucht man die Situation schön zu reden. Man arbeite weiterhin an einer Gesamtlösung, heisst es dort.
SPD will noch immer nicht
Mit Vorsicht zu geniessen ist darum auch die Unterzeichnung des Änderungsprotokolls zum Abgeltungssteuervertrag. Während die Schweizer die Korken knallen lassen, fordert nämlich der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel eine Zielfahndung gegen Schweizer Banken. Laut «Bild»-Zeitung soll eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft oder der deutsche Bundesanwalt gegen Schweizer Banken vorgehen, wenn diese Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisteten. Vorerst will die SPD dem Vertrag mit der Schweiz also immer noch nicht zustimmen.
Scheitert das Abkommen mit Deutschland, dürfte es schwer werden für die Schweiz, die Abgeltungssteuer als Alternative zum automatischen Informationsaustausch international zu etablieren. Gut möglich ist zudem, dass die Abgeltungssteuer am Ende trotzdem bloss eine Vorstufe zum automatischen Informationsaustausch ist. Solche Töne konnte man in den vergangenen Tagen vereinzelt hören. Damit würde sich eine weitere Hoffnung der Bundespräsidentin in Luft auflösen.
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