«Regierung sagt permanent die Unwahrheit»
In Deutschland versucht die Opposition aus der aufgestockten Griechenland-Hilfe Kapital zu schlagen. SPD-Vertreter, darunter Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, greifen Angela Merkel an.

Die deutsche Regierung erzählt nach Ansicht der SPD den Bürgern Märchen über die Rettung Griechenlands. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann schimpfte heute Samstag in Berlin: «Diese Regierung sagt permanent die Unwahrheit: 'Kein Cent für Griechenland' war von Anfang an eine Märchengeschichte.» Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzte sich gegen den Vorwurf zur Wehr, sie sage den Bürgern die Unwahrheit, den die Sozialdemokraten auch im Bundestag erhoben haben.
Oppermann legte jetzt nach und kritisierte, die Aussage von Finanzminister Wolfgang Schäuble, die neue Griechenlandhilfe «kostet den Steuerzahler nichts», sei schlicht falsch. Im Gegensatz zu ihrem SPD-Vorgänger im Kanzleramt, Gerhard Schröder, vermeide Merkel jede Festlegung: «Hauptsache, sie selbst kommt heil durch», meinte der Parlamentarische Geschäftsführer.
Merkel verteidigt sich gegen Steinbrück
Merkel hatte zuvor schon den Vorwurf von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück zurückgewiesen, sie sage den Deutschen nicht die Wahrheit über die Situation in Griechenland. «Ich kenne meine Pflicht und sage deshalb den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder, wie die Lage ist», erklärte Merkel der Zeitung «Bild am Sonntag». Sie arbeite mit ganzer Kraft daran, den Euro stabil zu halten.
«Ich werde weiter das tun, was für Deutschland und Europa am besten ist und die finanziellen Folgen so gering wie möglich hält und uns keinen unzumutbaren Risiken aussetzt», versicherte die Kanzlerin. Verständnis äusserte sie für die ablehnende Haltung vieler Bürger gegenüber den neuen Hilfen für Griechenland. «Ich spüre natürlich die Skepsis vieler Bürger, verstehe sie zum Teil auch, denn Griechenland hat seine Partner in den vergangenen Jahren oft enttäuscht.» Sie zeigte sich optimistisch, dass Athen auf beschlossene Reformen hin jetzt auch Taten folgen lasse.
Linke zweifelt an Rechtmässigkeit der Griechen-Hilfe
Linksparteichef Bernd Riexinger bezweifelt die Verfassungsmässigkeit der jüngsten Griechenland-Hilfe. «Wir haben grosse Zweifel, dass das dritte Griechenlandpaket einer gerichtlichen Prüfung standhält», sagte Riexinger der «Mitteldeutschen Zeitung». «Zinsen streichen heisst Schulden streichen und das geht nur, wenn es europaweit neue Regeln gibt.»
Am Freitag habe sich eine grosse Mehrheit des Bundestages der Veruntreuung von Steuergeldern schuldig gemacht, sagte der Linke-Vorsitzende. Die Gewinne der Bundesbank wären besser bei der Rentenversicherung zur Finanzierung der Ostrentenangleichung aufgehoben als auf einem Sperrkonto, von dem nur Banken und Spekulanten Geld bekämen. Der Bundestag hatte am Freitag mit grosser Mehrheit einem Hilfspaket zugestimmt, mit dem knapp 44 Milliarden Euro an Notkrediten für Griechenland freigegeben werden.
Arbeitgeberpräsident lobt Standhaftigkeit der Kanzlerin
Lob für ihre Euro-Rettungsstrategie erhielt die Bundesregierung von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Er sagte im SWR: «Ich bewundere die Standhaftigkeit von Frau Merkel in dieser Problematik. Sie ist ganz entscheidend dafür verantwortlich, dass wir bei allen Schwierigkeiten, die Probleme wirklich zu überwinden, den richtigen Kurs gehen.»
Die fortgesetzten Finanzhilfen für das überschuldete Griechenland sind nach Ansicht des früheren Aussenministers Hans-Dietrich Genscher zur Stabilisierung der Europäischen Union unverzichtbar. Genscher sagte der «Mitteldeutschen Zeitung» in Halle: «Es geht um die Rettung Europas.» Den Euro hält der FDP-Politiker für ein Erfolgsmodell.
Doch trotz der jüngsten Rettungsbeschlüsse drohen aus Sicht von Ökonomen kurz- und mittelfristig neue Finanzierungslücken bei der Griechenland-Rettung. Der Wuppertaler Ökonom Paul Welfens sagte der «Rheinischen Post» (Samstagsausgabe), Athens Schuldenrückkauf könnte nur zur Hälfte klappen. «Dann entstünde eine neue Lücke von 15 Milliarden Euro, von denen drei Milliarden auf Deutschland entfielen», sagte Welfens. Seine Prognose: «Spätestens 2014 ist das nächste Hilfspaket erforderlich oder es kommt zum Schuldenschnitt.»
dapd/rub
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