Akkus von E-AutosReparieren statt recyceln
Weil der Akku von E-Autos zum Entsorgen viel zu teuer ist, hat Opel in Rüsselsheim sein Battery Refurbishment Center etabliert. Hier werden defekte Speicher wieder flottgemacht – und Pionierarbeit für den gesamten Konzern geleistet.

Es ist still in Halle M55 im Herzen des Opel-Stammwerks in Rüsselsheim. Und das liegt ausnahmsweise mal nicht allein an Corona und auch nicht am späten Freitagnachmittag, an dem Hausherr Markus Grassmuck zur Begehung bittet. Vielmehr hat sein Battery Refurbishment Center einfach noch nicht viel zu tun. Dabei sind Grassmuck und seine Spezialisten die Notfalltruppe, wenn es irgendwo Probleme mit dem Akku eines Elektroautos gibt. «Im Augenblick machen die Batterien wenig Schwierigkeiten», sagt Grassmuck und meint damit weniger Corsa-E und Mokka-E, die ja gerade erst auf den Markt gekommen sind. Er schaut eher zurück auf mittlerweile zehn Jahre Elektrifizierung bei Opel und denkt deshalb auch an den Ampera und den Ampera-E, die noch unter der Regie der alten Opel-Mutter General Motors entwickelt worden waren.
Und auch wenn man den Amerikanern in Rüsselsheim heute wenig Gutes nachsagt, hatten sie den richtigen Riecher. Weniger, was die Autos selbst angeht, doch zumindest die Idee mit dem Battery Refurbishment Center rechnet ihnen Grassmuck hoch an: Denn während sich die meisten Anbieter nur Gedanken über das sogenannte Second Life der Akkus machen – also die Verwendung der Zellen in einem zweiten Leben nach der automobilen Karriere –, will Opel hier das erste Leben der Lithium-Ionen-Zellen verlängern: Reparieren statt recyceln, lautet das Motto. «Schon damals war den Verantwortlichen klar, dass es für die Pflege und Wartung der Akkus eine zentrale Anlaufstelle mit speziell geschulten Experten braucht», sagt Grassmuck. Und davon profitiert Opel jetzt auch bei der zweiten Elektro-Welle, die gerade durchs Unternehmen schwappt.
Nur Spezialisten dürfen Akkus öffnen
Ins Spiel kommen Grassmuck und seine Kollegen immer dann, wenn irgendwo zwischen Marseille und Malmö ein E-Auto mit Batterie-Problem in die Werkstatt rollt. Denn wenn es um die Akkus geht, sind den Mechanikern vor Ort die Hände gebunden, sagt Grassmuck: «Die können zwar alle Verbindungen prüfen und Diagnoseprogramme laufen lassen, doch das versiegelte Gehäuse dürfen sie nicht öffnen.» Das bleibt den zertifizierten Spezialisten vorbehalten. Um den Kunden möglichst schnell wieder mobil zu machen, schicken sie in solchen Fällen eine Austauschbatterie auf den Weg und nehmen auf der Heimfahrt den defekten Block mit ins Refurbishment-Center.
Dort angekommen, wird der versiegelte Kasten geöffnet und eine gründliche Untersuchung gestartet: Hat die Elektronik einen Bug? Gibt es Kontaktprobleme bei der Verkabelung? Ist der Kühlkreislauf komplett? Oder sind einzelne Blöcke defekt? Das sind die Fragen, die seine Spezialisten stellen. Und die sind auf der Suche nach Antworten nicht allein: Denn mit dem nur einen Steinwurf entfernten technischen Entwicklungszentrum ist schnell einer der Ingenieure greifbar, der für die Konstruktion oder Programmierung des Antriebs verantwortlich ist. So können sie in Rüsselsheim fast jeden Fehler finden und beheben. «Nur von den Zellen selbst lassen auch wir die Finger», sagt Grassmuck: «Weil seine Spezialisten alle auf Hochvolt-Anlagen spezialisierte Elektriker sind und keine Chemiker, werden die Zellen allenfalls ausgebaut und an den Lieferanten geschickt.»
Ist der Akku nach ein bis zwei Tagen repariert und wieder im Paket versiegelt, beginnt eine aufwendige Funktionsprüfung, bei der nicht nur ein kompletter Zyklus aus Be- und Entladung durchfahren wird. Zugleich machen Grassmucks Männer auch mit jeder Batterie einen Stresstest und prüfen das Klima in der Kiste. So können sie die Güte des Akkus messen und seine Restkapazität. Danach wird er auf einer Skala von 1 bis 5 bewertet und für den nächsten Austausch bereitgelegt «So stellen wir sicher, dass jeder Kunde eine Austauschbatterie bekommt, die mindestens genauso gut ist wie seine eigene – oder sogar besser.»
Bei dieser Arbeit hat Grassmuck viel über die Batterien gelernt: «Sie halten länger als erwartet und bieten auch im hohen Alter mehr Kapazität als angenommen.» Denn auch wenn einige über 160’000 Kilometer genutzt wurden, hatte er noch keine mit weniger als 70 Prozent Restkapazität auf dem Prüfstand. Trotzdem weiss der Opel-Manager, dass er die Batterien irgendwann alle noch einmal zu sehen bekommt. «Was wir hier lernen, hilft uns später auch beim Recycling.»
Viel zu tun hatten sie in der Halle M55 bis jetzt nicht. Doch für die Zukunft rechnet Grassmuck mit deutlich mehr Arbeit. Erstens, weil Opel selbst immer mehr Elektroautos verkauft. Und zweitens, weil die Hessen auch die Verantwortung für die französischen Schwestern Peugeot und Citroën übernommen haben.
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