Film-Highlights der Woche«Retour à Séoul» lebt von einer fantastischen Hauptdarstellerin
Neben dem Drama empfehlen wir die Verfilmung eines Comedy-Stücks mit Moritz Bleibtreu und eine Tragikomödie mit Tom Hanks als altem Griesgram.

Retour à Séoul
Drama von Davy Chou, F/D/B/KOR 2022, 115 Min.
Die Bildhauerin und Malerin Park Ji-min hat nie zuvor in einem Film mitgespielt. Aber ihre Leistung als Hauptdarstellerin von «Retour à Séoul» ist fesselnd. Sie spielt Frédérique, genannt Freddie, die in Südkorea zur Welt kam und als Säugling von einem französischen Paar adoptiert wurde. Mit Anfang zwanzig fliegt sie spontan nach Seoul, um dort nach ihren biologischen Eltern zu suchen. Dass sie nicht einmal die Sprache spricht, erschwert die Sache. Doch sie hat kein Problem damit, sich durchzusetzen, und schert sich nicht darum, ob sie Leute vor den Kopf stösst.
Mit ihrer Art schliesst sie schnell Freundschaften, etwa mit einer Hotelangestellten, die Freddie schliesslich bei ihren Nachforschungen begleitet. Dabei hat diese auch etwas Rücksichtsloses an sich, kann verletzend sein. Es gibt Momente, in denen sie einem richtig auf die Nerven geht. Trotzdem bleibt man ihr stets verbunden.
Park selbst stammt aus Südkorea, als kleines Mädchen kam sie mit ihrer Familie nach Frankreich. Ihre Rolle erarbeitete sie in einem langen Prozess mit Regisseur Davy Chou, der seinerseits Franzose mit kambodschanischen Wurzeln ist und sich für doppelte Nationalitäten interessiert. Wir erleben Freddie über mehrere Jahre hinweg, ihre Auseinandersetzung mit Korea und sich selbst ist mit einer einzelnen Reise nicht abgeschlossen. Bis zum Ende bleibt sie eine ambivalente, spannende Figur. (ggs)
Houdini
Caveman
Komödie von Laura Lackmann, D 2021, 100 Min.
Autoverkäufer Bobby (Moritz Bleibtreu) träumt von einer Karriere als Comedian. Er bekommt die Chance, an einem Open-Mic-Abend teilzunehmen. Leider macht seine Frau Claudia (Laura Tonke) kurz vor dem Auftritt Schluss. Also ändert Bobby kurzerhand das Programm und erzählt, statt dünner Witze, von seiner Beziehung.
Zugrunde liegt dem Film von Regisseurin Laura Lackmann das Solostück «Defending the Caveman» von Rob Becker. Es wird seit 1995 ununterbrochen am Broadway und in der deutschen Bearbeitung seit Jahren auch in Deutschland und der Schweiz gespielt. Inhalt: die Unterschiede zwischen Mann und Frau. Gähn?! Jein! Anders als auf der Bühne erklärt uns im Film nicht ein Mann die Welt, sondern im Rückblick werden die Szenen einer Ehe gleichberechtigt erzählt. Die sind nicht klischeefrei, aber dank der lebensnahen Figuren oft allzu menschlich und deshalb sehr lustig.
Es ist der komödiantisch überzeichnete Kampf um das Funktionieren einer (Hetero-)Ehe. Immerhin wahrnehmend, dass es auch gleichgeschlechtliche Paare und alternative Beziehungsformen gibt. (ish)
Abaton, Arena, Capitol
A Man Called Otto
Tragikomödie von Marc Forster, USA 2022, 122 Min.
Die schwedische Romanverfilmung «A Man Called Ove» war ein weltweiter Hit. Jetzt kommt das US-Remake, inszeniert vom schweizerisch-deutschen Regisseur Marc Forster («Christopher Robin»).
Tom Hanks spielt den missmutigen Alten, der jetzt nicht Ove, sondern Otto heisst. Dieser entschliesst sich nach dem Tod seiner Frau und der Frühpensionierung dazu, Suizid zu begehen. Allerdings ohne Erfolg: Der Haken, an dem er sich aufhängen will, reisst aus der Decke, und ausserdem kommen ihm ständig die Nachbarn in die Quere. Allen voran die gegenüber neu eingezogene Marisol (Mariana Treviño).
Im Vergleich zum Original ist die amerikanische Version arg sentimental. Aber es macht Spass, Tom Hanks mal in einer derart grummeligen Rolle zu sehen. (ggs)
Abaton, Arena, Corso
Shrinking
Comedyserie von Brett Goldstein, Bill Lawrence und Jason Segel, USA 2023, 10 Folgen
Das Wort «shrinking» bedeutet «schrumpfen», hier spielt es zudem auf «shrink» an – einen Slangbegriff für Psychiater. Jimmy (Jason Segel) arbeitet als solcher. Während er versucht, Leuten dabei zu helfen, ihr Leben zu meistern, ist sein eigenes aus der Bahn geraten: Nach dem Unfalltod seiner Frau hat er sich monatelang in Drogen, Alkohol und bezahlten Sex geflüchtet und dabei seine Tochter Alice (Lukita Maxwell) vernachlässigt.
Die Serie beginnt mit Jimmys Entscheidung, seinen Therapieansatz zu ändern: Er mischt sich direkt ins Leben seiner Patientinnen und Patienten ein. Das führt unter anderem zu einer Prügelei am Rande eines Fussballspiels.
Hauptdarsteller Jason Segel kennt man aus «How I Met Your Mother», wo er Marshall war, der verheiratete Kumpel des Erzählers. «Shrinking» kommt ohne Lachspur aus, und die Serie ist ziemlich gut darin, das Seelenleben ihrer Figuren zu erforschen. Ausserdem sehen wir Harrison Ford als älteren Praxiskollegen, es ist die erste reguläre Serienrolle des Schauspielers. (ggs)
Ab Fr 27.1. auf Apple TV+
Ende der Erinnerung?
Dokumentarfilm von Peter Scheiner, CH 2017, 57 Min.
2011 löste sich die Kontaktstelle für Überlebende des Holocaust in der Schweiz auf – die Mitglieder wurden allmählich zu alt, um den Verein weiterzuführen. Die Feierlichkeiten zur Auflösung sind die Ausgangslage für dieses Porträt der Gruppe. Vom 26. bis 29. Januar gibts den Film gratis zum Streamen; Anlass ist der Holocaust-Gedenktag am 27. Januar. Als Bonus gibts einen Filmkommentar von Schriftsteller Lukas Bärfuss. (ggs)
Auf ava-scheiner.ch
Amsterdam
Krimikomödie von David O. Russell, USA 2022, 134 Min.
Jahrelang haben Fans des Regisseurs David O. Russell («American Hustle») auf seinen neuen Film gewartet, sich die Zeit vertrieben mit dem Lesen der illustren Besetzungsliste: Christian Bale, Margot Robbie, Chris Rock, Anya Taylor-Joy und, und, und, selbst Robert De Niro taucht auf.
Und dann das: «Amsterdam» stiess bei der Veröffentlichung im Herbst auf wenig Gegenliebe, in der Schweiz wurde der Release wenige Tage vor dem geplanten Kinostart gestrichen. Zu wenig zugänglich ist wohl diese Geschichte, in der Veteranen des Ersten Weltkriegs eine ebenso grosse Rolle spielen wie Glasaugen und Naziverschwörer.
Aber dieser Film hat ein zweites Leben verdient, es gibt unzählige Details zu entdecken, höheren Blödsinn und ernsthafte politische Anliegen. Nicht alles ist gelungen, aber das Ende der von Taylor Swift gespielten Figur zum Beispiel ist im wahrsten Sinn umwerfend. (ml)
Auf Disney+
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