Riesensensation – Isländer hauen England aus der EM
Das vergisst die Fussballwelt wohl nie: Underdog Island demütigt die Mutter aller Fussballnationen.
Der Erfolg der Isländer gegen die favorisierten Three Lions ist die bislang grösste Sensation an der Europameisterschaft.
Warum aber ein Nationalfeiertag für die Viertelfinalqualifikation? Ganz einfach: Bislang galt die Finalqualifikation an den Sommerspielen 2008 der Handball-Nationalmannschaft mit einem 36:30-Sieg über Spanien als grösster isländischer Sporterfolg. Der Sieg in Südfrankreich über England, das Mutterland des wichtigsten Sports, dürfte das Ranking umstellen. Damals verkündete der isländische Präsident wenige Minuten nach der Schlusssirene den arbeitsfreien Feiertag. Der am Wochenende gewählte neue Präsident Gudni Thorlacius Johannesson, ein früherer TV-Profi und Historiker, wird kaum sein Volk schon in der ersten Woche verärgern wollen.
Der isländische Sensationserfolg entsprang nicht etwa dem Zufall. Er erfolgte auch nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Er war am Ende nicht einmal unverdient. Die Isländer spielten das, was sie können, und taten das ausserordentlich gut. Auf jeden Fall stellten sie sich nicht so ungeschickt an wie die Engländer, die gedemütigt wurden.
Dabei hatte für den haushohen Favoriten die Partie perfekt begonnen. Nach bloss 179 Sekunden erhielten die Engländer einen Penalty zugesprochen, weil sich Islands Goalie Hannes Halldorsson unnötigerweise Stürmer Raheem Sterling in die Beine geworfen hatte. Wayne Rooney verwertete in seinem 115. Länderspiel - er schloss zu David Beckham auf und liegt nur noch zehn Länderspiele hinter Peter Shilton zurück (125 Länderspiele von 1970 bis 1990) - den Strafstoss souverän. England gelang der ersehnte Blitzstart. Alle Zeichen standen auf Sieg.
Joe Hart patzt erneut
Dieser entglitt den Engländern indessen innerhalb von zwölf Minuten. Nur 34 Sekunden nach dem Anstoss nach dem Gegentreffer (!) glich Island aus. Captain Aron Gunnarsson warf den Einwurf wuchtig wie ein Speerwerfer in Richtung englisches Goal, Kari Arnason verlängerte mit dem Kopf, und am zweiten Pfosten drosch Innenverteidiger Ragnar Sigurdsson den Ball zum 1:1 ins Netz. Und in der 18. Minute liess sich Englands Verteidigung von einem Doppelpass von Kolbeinn Sigthorsson (Torschütze) mit Jon Dadi Bödvarsson (Assistent) übertölpeln. Keeper Joe Hart wehrte den Schuss nicht ab, obwohl er mit der Hand am Ball war.
Derartige defensive Aussetzer dürfen einer grossen Fussballnation an einem grossen Turnier nicht unterlaufen. Gunnarssons Einwürfe kommen seit Spiel 1 weit und sind berüchtigt. Schon am Mittwoch gegen Österreich bildete ein Einwurf Gunnarssons den Ausgangspunkt zum ersten isländischen Tor. Und nach dem zweiten Gegentor hämmerte sich Englands Keeper Joe Hart wie wild mit der Faust an die Schläfe. Schon beim 0:1 gegen Wales hatte er das entscheidende Gegentor, den Freistoss von Gareth Bale, auf seine Kappe nehmen müssen.
Nach Rückstand kaum wiederzuerkennen
England lag nach 18 Minuten 1:2 zurück. Und was besonders bitter war: Die ersten 18 Minuten waren noch die besten der Engländer. Denn sie hatten die Partie dominiert. Zwischen dem 1:1-Ausgleich und dem 1:2 kamen die Engländer zu drei, vier guten Chancen. Rooneys Corner sorgten für Gefahr. Dele Alli verfehlte mit einem Scharfschuss das Goal um wenige Zentimeter. Und auch Kane verfehlte kurz vor dem zweiten Gegentor das Ziel.
Der Rückstand lähmte danach die Engländer. Sterling ward nach dem herausgeholten Penalty nicht mehr gesehen und wurde nach einer Stunde durch Jamie Vardy ersetzt. Auch Wayne Rooney vermochte auf der für ihn noch nicht so gewohnten Position im Mittelfeld unter Druck die Fäden nicht mehr nach Wunsch zu ziehen. Auch Rooney wurde im Finish ausgewechselt. Den Engländern boten sich zwar Ausgleichschancen. Harry Kane kam in der 79. Minute in aussichtsreicher Position zu einem Kopfball. Aber die allerbesten Torchancen besassen auch in der zweiten Halbzeit Island - zuerst bei einem spektakulären Rückzieher von Ragnar Sigurdssson (56.), später nach einem Solo von Aron Gunnarsson (84.).
Der Rücktritt von Hodgson
Am Ende erstaunte gewiss nicht nur das Resultat. Warum verfügten die Isländer über so viel mehr Energie, obwohl sie doch alle bisherigen vier EM-Spiele mit der gleichen Aufstellung bestritten, derweil Englands Coach Roy Hodgson fleissig rotierte. Warum fanden die Engländer gegen Islands Captain Aron Gunnarsson kein Mittel, obwohl der beim zweitklassigen Cardiff City nicht einmal einen Stammplatz bekommt?
Die Niederlage hat für die Three Lions Konsequenzen: Roy Hodgson erklärte unmittelbar nach dem 1:2 im Achtelfinal gegen Island seinen Rücktritt als englischer Nationaltrainer. «Mein Vertrag hing von diesem Ergebnis ab. Es ist jetzt Zeit, einem talentierten jungen Trainer Platz zu machen. Es war eine gute Zeit, die Jungs taten, was sie konnten. Es tut mir leid, dass es so enden muss», sagte der 68-Jährige in Nizza nach dem blamablen Aus der Engländer.
England - Island 1:2 (1:2) Nizza. - 30'000 Zuschauer. - SR Skomina (SLO). Tore: 4. Rooney (Foulpenalty) 1:0. 6. Ragnar Sigurdsson (Arnason) 1:1. 18. Sigthorsson (Bödvarsson) 1:2.England: Hart; Walker, Cahill, Smalling, Rose; Alli, Dier (46. Wilshere), Rooney (86. Rashford); Sturridge, Kane, Sterling (60. Vardy).Island: Halldorsson; Saevarsson, Arnason, Ragnar Sigurdsson, Skulason; Gudmundsson, Gylfi Sigurdsson, Gunnarsson, Birkir Bjarnason; Sigthorsson (76. Elmar Bjarnason), Bödvarsson (88. Traustason).Bemerkungen: Beide Mannschaften komplett. Verwarnungen: 38. Gylfi Sigurdsson. 47. Sturridge. 65. Gunnarsson (alle Foul).
SDA/sag
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