Ära der Überflieger
Drei Athleten prägten mit Einzel-Doppelgold die Leichtathletik-Wettbewerbe. Der Gastgeber nervte mit falscher Preispolitik.

Sehr talentierte Sportler wollen einmal im Leben an Olympischen Spielen teilnehmen, supertalentierte Athleten einmal Gold gewinnen. Die Steigerungsform dieser ohnehin schon raren Sieger lautet: Usain Bolt, Elaine Thompson und Mo Farah. Die Sprinter aus Jamaika und der Langstreckenläufer aus Grossbritannien zelebrierten die Leichtigkeit des Gewinnens in Rio gleich zweimal. Und Bolt kam dank der Hilfe seiner Staffelkollegen auch an seinen dritten Spielen auf drei Titel.
Alles zusammen ist in der olympischen Geschichte der Leichtathleten einmalig. Wer darum in den vergangenen Tagen dem Kernsport der Spiele zuschaute, erlebte eine aussergewöhnliche Epoche, die in Rio de Janeiro zugleich endet. Usain Bolt wird im nächsten Jahr als erfolgreichster Sprinter je abtreten, Mo Farah wohl auf die Marathondistanz wechseln. Erhalten bleibt der Stadion-Leichtathletik nur Elaine Thompson. Mit ihren 24 Jahren hat sie mindestens einen weiteren Olympiazyklus mit Goldperspektiven vor sich.
Absenz der Russen irrelevant
Im Schatten dieser drei Überflieger sammelten vier andere fleissig Medaillen (ohne die Staffel-Einsätze dazuzuzählen, sonst kämen weitere Athleten hinzu): Andre De Grasse sprintete zu Silber (200 m) und Bronze (100 m), was den 21-jährigen früheren Basketballer aus Kanada zum möglichen Nachfolger von Bolt macht – sofern man überhaupt von einer Nachfolge sprechen darf. Silber und Bronze gewann auch die US-Sprinterin Tori Bowie, mit Rang 2 über 100 m sowie Rang 3 über 200 m. Die Äthiopierin Almaz Ayana glänzte mit Gold (10'000 m) und Bronze (5000 m). 2-mal Silber erkämpfte sich der Algerier Taoufik Makhloufi (800 m / 1500 m), dessen Leistungen allerdings als sehr suspekt gelten, womit er eine prominente Facette der aktuellen Spitzenleichtathletik verkörpert.
Schliesslich fehlte an den Spielen in Brasilien von Weitspringerin Daria Klishina abgesehen das ganze russische Team, was allerdings wenig relevant war in Bezug auf den Erfolg der drei Doppelolympiasieger. In keiner dieser Disziplinen sind die Russen zurzeit gut genug.
Das Stadion war mehrheitlich halb leer.Es zeugt auch von der falschen Preispolitik der Gastgeber.
Diese Masse an Weltklasse interessierte nur wenige Brasilianer. Das mehrheitlich halb leere Stadion über fast alle Vormittag- und Abendsessionen hinweg zeugt neben der Unattraktivität der Leichtathletik in Brasilien auch von einer falschen Preispolitik der Gastgeber. Schon die günstigsten Tickets waren für den Durchschnittsbrasilianer zu hoch angesetzt. Dass das OK sich dann auch noch dagegen entschied, die leeren Plätze zumindest an den Vormittagen durch (Schul-)Kinder zu besetzen, ist irritierend.
OK-Kollegen früherer Jahre agierten unzimperlich, wenn es darum ging, das Gesamtbild aufzuhübschen. Die Chinesen liessen für ein volles Vogelnest vor acht Jahren busweise Einheimische einsammeln, um jeden Tag volles Haus und 80'000 ausverkaufte Plätze vermelden zu können. Gelebtes Interesse ist anders, täglich prickelnde Stimmung aber entstand auch auf diesem durchorganisierten Weg.
Zähes Programm war wenig ansprechend
Trotzdem konnte man jeden potenziellen (TV-)Zuschauer verstehen, der sich zumindest einen Teil der 47 Wettbewerbe ersparen wollte: Das Programm lief zäh ab. Einmal mehr war unübersehbar, dass sich die Leichtathletik-Wettkämpfe nicht über zehn Tage hinziehen sollten.
Ausser Siegerehrungen fand phasenweise selbst zur Primetime nichts statt. Wer wie die Leichtathleten aber um Zuschauer kämpfen muss, braucht zwingend ein Produkt, das zu den Leistungen passt. Ansonsten bringen auch die auffälligsten Botschafter wie Usain Bolt, Elaine Thompson oder Mo Farah über das Kernpublikum hinweg keine weiteren Zuschauer in diesen Sport.
Erstellt: 22.08.2016, 07:34 Uhr
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