Ritualmord auf einer Karibikinsel
Krimi der Woche: «Unbescholtene Bürger» des kreolischen Autors Raphaël Confiant ist ein sehr unkonventioneller und sehr lustiger Roman aus der französischen Karibik.

Der erste Satz
Ich heisse Jack Teddyson.
Das Buch
«Als Privater in einem Land zu arbeiten, in dem es praktisch kein Privatleben gibt, ist schon eine Leistung, das schwöre ich Ihnen», erklärt Raymond Vauban, der sich als Privatdetektiv den englisch klingenden Namen Jack Teddyson zugelegt hat: «Jeder weiss, wer wer ist und wer was macht.» Der Icherzähler im ersten Krimi des renommierten Autors Raphaël Confiant erklärt uns auf erfrischende Art, wie es auf der französischen Karibikinsel Martinique läuft. «Wenn es irgendwo in der Provence eine kleine Überschwemmung oder auf der Autobahn Paris–Lyon einen Winzstau gibt, dann erfahren wir das in der nächsten Minute, aber dafür wissen wir nicht allzu genau, was auf den anderen Inseln der Antillen oder dem amerikanischen Kontinent passiert, obwohl Fort-de-France nur eineinhalb Flugstunden von Caracas entfernt ist.»
«Unbescholtene Bürger» heisst der Roman, und der Titel ist natürlich ironisch gemeint. Jede und jeder scheint hier irgendwelche unsauberen Sachen am Laufen zu haben. Prostitution, illegales Glücksspiel, krumme Geschäfte, kriminelle Lotterien, unkonventionelle Parteifinanzierung, miese Intrigen oder einfach ein bisschen Voodoo. Und bei manchen kommt so ziemlich alles davon zusammen.
Teddyson wird von der Witwe eines erfolgreichen Unternehmers beauftragt, dessen Ermordung zu klären, nachdem die Polizei den Fall ungelöst zu den Akten gelegt hat. Der Mann war in der Absteige seiner Geliebten kastriert aufgefunden worden. Der Privatdetektiv hat bald eine lange Liste von Verdächtigen. Seine Ermittlungen dienen dem Autor vor allem dazu, mit viel Fabulierlust und Witz seine Heimat als schrill-buntes Panoptikum zu zeigen. Dabei parodiert er hemmungslos den klassischen amerikanischen Privatdetektivroman. Teddyson ist ein Schwerenöter und Macho, der in Sachen Frauen locker mit Spillanes Mike Hammer mithalten kann. «Anders als eine Frau kann ein Mann nicht jeden Tag Kaviar essen», erklärt Teddyson, «nach einiger Zeit steht es ihm bis hierhin, und er lässt sich einen Teller Stockfisch mit Zwergbananen schmecken.» In Sachen Gewalt ist der Kreole aber mehr Opfer als Täter. Die Knarre vergisst er meistens einzustecken, und er hat ständig irgendwelche Blessuren. Er versteht sich als Philosoph, und seine Erkenntnisse fasst er ziemlich direkt zusammen: «Für mich war der Mensch von Geburt an ein Miststück und blieb es bis ans Ende der Zeiten.»
«Unbescholtene Bürger» von Raphaël Confiant ist ein sehr unkonventioneller und sehr lustiger Krimi, der ebenso faszinierende wie vergnügliche Einblicke in eine zumindest mir weitgehend unbekannte Welt bietet.
Die Wertung
Der Autor
Raphaël Confiant, geboren 1951 in Le Lorrain, Martinique, studierte Englisch und Politikwissenschaften in Frankreich. Als vehementer Vertreter des kreolischen Französisch war er 1981 Mitgründer der kreolischen Zeitschrift «Antilla». Von 1977 bis 1987 veröffentlichte er fünf Bücher auf Kreolisch, seit 1988 erschienen mehr als 20 Bücher von ihm, die er auf Französisch schrieb. «Citoyens au-dessus de tout soupçon …» («Unbescholtene Bürger») erschien 2010 und war sein erster Krimi. Confiant wurde mehrfach ausgezeichnet und gilt als einer der bedeutendsten Autoren aus dem französischen Überseedépartement Martinique. Raphaël Confiant ist Dozent an der Université des Antilles et de la Guyane in Schœlcher, Martinique.

Raphaël Confiant: «Unbescholtene Bürger» (Original: «Citoyens au-dessus de tout soupçon …», Caraïbéditions, Lamentin, Martinique 2010). Aus dem Französischen von Peter Trier. Litradukt, Trier 2018. 194 S., ca. 20 Fr.
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