Roche und Novartis zahlen US-Ärzten Millionen
Erstmals legt eine neue Datenbank die enge Verflechtung von Pharmaindustrie, Ärzten und Spitälern im Detail offen. Viele Gelder stammen von Schweizer Firmen und ihren Töchtern.

Die Pharmaindustrie steht seit langem in der Kritik für Zuwendungen an Ärzte. Die Befürchtung: Wer Zahlungen entgegengenommen hat, ist geneigt, die Medikamente der entsprechenden Firma häufiger zu verschreiben, etwa anstelle billigerer Generika oder alternativer Behandlungsmethoden.
In den USA mussten Pharmafirmen nun erstmals alle Zahlungen oder geldwerten Leistungen an Ärzte und Spitäler offenlegen. Von August bis Dezember 2013 flossen dabei insgesamt rund 3,5 Milliarden US-Dollar, wie die diese Woche aufgeschaltete Datenbank Open Payments zeigt.
Hoher Anteil der Schweizer Konzerne
Rund 9 Prozent dieser Zahlungen gehen dabei auf Schweizer Pharmafirmen und deren Tochterfirmen zurück, wie die «Schweiz am Sonntag» anhand der Datenbank eruiert hat. Namentlich sind es die vier Schweizer Konzerne Roche, Novartis, Actelion und Nobel Biocare, die innerhalb der fünf Monate rund 315 Millionen Dollar bezahlten.
Bei einem grossen Teil der auf Open Payments verzeichneten Zahlungen handelt es sich allerdings nicht etwa um Geschenke, sondern um Abgeltungen für Forschungsleistungen, wenn etwa ein Arzt eine Studie für ein Pharmaunternehmen durchführt.
Auch beim Basler Pharmariesen Roche ist dies der Fall: Der grösste in der Datenbank verzeichnete Einzelbetrag, eine Zahlung von 122,5 Millionen Dollar, sind Lizenzgebühren, welche die Rochetochter Genentech dem Krebsforschungsinstitut City of Hope entrichtet. Von insgesamt rund 218 Millionen Dollar, welche Roche bezahlt, entfallen nur 13 Millionen Dollar auf forschungsfremde Zahlungen.
Bei Novartis entfallen von total 91 Millionen Dollar 67 auf die Forschung und 24 auf andere Zahlungen. Bei Letzteren handelt es sich vor allem um Spesen, welche Pharmafirmen ausrichten: Reisen, Unterkunft und vor allem Verpflegung.
Die Pharmakonzerne verteidigen diese Ausgaben. Roche-Sprecher Nicolas Dunant sagte der «Schweiz am Sonntag», solche Ausgaben seien legitim, wenn Ärzte Beraterdienste erbrächten oder Vorträge hielten. Ähnlich äussert sich Novartis: Bei den Zuwendungen handle es sich um eine «absolut gesetzeskonforme, angemessene und übliche Praxis», wird Novartis-Sprecher Satoshi Sugimoto zitiert.
Daten mit Vorsicht zu geniessen
Insgesamt zeigt die neue Datenbank eine enge Verflechtung von Ärzten, Spitälern und Pharmaindustrie. Welche Zahlungen im Einzelfall gerechtfertigt sind, lässt sich aus den Daten alleine nur schwer herauslesen. Das «Wall Street Journal» etwa berichtete von dem Fall des Arztes James Vanderlugt aus dem US-Bundesstaat Michigan. Dieser wird als Empfänger von rund 570'000 Dollar aufgeführt, was ihn zu einem der Topverdiener auf der Liste machte.
Die Forschungsfirma Jasper Clinical, für welche Vanderlugt arbeitet, gibt allerdings an, die Zahlungen seien für mehrere klinische Studien getätigt worden und an die Firma, nicht an Vanderlugt geflossen. Dieser sei nur in seiner Funktion als Verantwortlicher in der Datenbank aufgeführt. In anderen Fällen geben Absender und Empfänger der Gelder an, diese seien zum Teil fälschlicherweise als Spesen und nicht als Forschungsausgaben deklariert worden.
Kritisiert wird Open Payments zudem dafür, dass die Datenbank kompliziert zu bedienen ist und dem durchschnittlichen Patienten somit wohl kaum die eigentlich beabsichtigte Möglichkeit bietet, nämlich die ihn behandelnden Ärzte zu kontrollieren.
Schweizer Datenbank kommt ab 2016
Aus Schweizer Sicht ist Open Payments über die Involvierung der Schweizer Firmen in den amerikanischen Gesundheitsmarkt hinaus von Interesse, denn die hiesigen Pharmahersteller haben sich in einem Branchenkodex verpflichtet, künftig ebenfalls ihre Zahlungen an Ärzte und Spitäler offenzulegen. Vollständig umgesetzt soll dies Mitte 2016 sein.
Anders als die US-Datenbank, welche kleinste Spesenbeträge einzeln ausweist, werden die Pharmafirmen in der Schweiz Ausgaben für Essen und Trinken bis in der Höhe von 150 Schweizer Franken nicht ausweisen müssen. Auch ist keine zentrale Publikation der Daten vorgesehen; die Firmen werden die Daten einzeln publizieren, womit die schweizerische Lösung noch unübersichtlicher als die amerikanische sein wird.
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