Röthlin läuft gegen die Fragezeichen
Viktor Röthlin gibt am Sonntagmorgen um 10.05 Uhr an der EM in Barcelona sein Comeback. Der 35-jährige Obwaldner will wissen, ob es für ihn noch eine Zukunft im Marathon gibt.

«Ich freue mich darauf, eine Antwort zu kriegen», sagte Röthlin zwei Tage vor seinem ersten Marathon seit zwei Jahren. Trotz der ungeklärten Frage vermittelte er Zuversicht. Die Abschlusstests am Dienstag auf dem Laufband seien positiv ausgefallen. «Ich habe wieder die Werte aus den Jahren 2006 und 2007 erreicht.» Allerdings bringt das Training nie die ganze Wahrheit an den Tag, auch weil sich der Sportler unbewusst selbst belügen kann. Ob Röthlin im Wettkampf wieder den sechsten Gang einlegt, zeigt sich erst am Sonntag in der Mittagshitze von Spanien.
Das Gefühl für die Form verloren
Sein 19. Marathon wird fast wie sein erster sein. Röthlin weiss kaum, wie sein Körper reagieren wird, wie leistungsfähig er ist, oder ob er noch an seine Grenzen gehen kann. Antworten auf diese Fragen kriegt er nur im Wettkampf, anders lässt sich Ungewissheit trotz der zuletzt ansprechenden Trainingsresultate nicht beseitigen. Früher konnte er sich auf seinen Körper verlassen. Er schätzte sein Leistungsniveau stets perfekt ein. Dieses Gespür ist ihm nun abhanden gekommen. Er ist nicht mehr Herr über die Puzzleteile, die er jeweils zu einem Erfolgsbild zusammensetzte. Davon zeugt auch der Umstand, dass er sich erst vor zwei Wochen für eine EM-Teilnahme entschied.
Sein Hoch begann mit dem Gewinn der EM-Silbermedaille vor vier Jahren in Göteborg. Röthlin reihte mit Bronze an den Weltmeisterschaften in Osaka 2007, dem hochkarätigen Schweizer Rekord von 2:07:23 beim Sieg am Tokio-Marathon im Februar 2008 und dem Olympiadiplom in Peking einen Erfolg an den anderen. 2009 begann dann die Leidenszeit des erfolgreichsten Schweizer Leichtathleten der letzten Jahre. Nach zwei Lungenembolien lag er auf der Intensivstation, eine Fersenoperation warf ihn erneut weit zurück. Im Frühjahr beim Strassenlauf-Klassiker in Kerzers joggte er auf einem Drittel der Marathondistanz mit einem Kilometer-Schnitt von 3:14 Minuten und blieb selbst gegen die nationale Konkurrenz chancenlos.
Kühlplatten am Körper
Röthlin erwartet bei seinem Neustart eine Hitzeschlacht. Unter solchen Bedingungen hatte er sich in Japan und China erfolgreich behauptet; in Peking auch dank Cool-Pads. Um die Körperkerntemperatur möglichst lange tief zu halten, klebt er sechs Kühlplatten in der Grösse von Schokoladentafeln innen an sein T- Shirt. Nach zirka 5 km des Rennens werden diese dann entfernt, weil sie nicht mehr kühlen. Danach gelangt Flüssigeis zum Einsatz.
Vor 2009 wäre Gold das einzige Ziel in Barcelona gewesen, nun käme ein Podest einer grossen Überraschung gleich. Von Vorteil wäre für den Schweizer ein Rennverlauf mit gleichmässigem Tempo. Gerade im Mai beim GP von Bern offenbarte sich seine Schwäche bei Rhythmuswechseln. Röthlin fehlte die Stabilität, um diese zu verdauen.
Speziell trainiert hatte Röthlin die Tücken des 10-km-Parcours in der Innenstadt. Die Spitzkehren werden von den Läufern mit zirka 20 Stundenkilometern angelaufen. «Ich glaube, es braucht am Sonntag Geduld», sagte Röthlin, der in gewohnt souveräner Manier vor den Medien informierte. Nach dem Coup von Trainingspartner Christian Belz mit dessen 6. Rang über 10 000 m schöpfte er die Hoffnung, dass an dieser EM nochmals die Routiniers die Kohlen aus dem Feuer holen werden. Ob die Umsetzung gelingt? Als Motivationsspritze überreichten ihm die Verbandsverantwortlichen von Swiss Athletics ein Bild, das die Intelligenz im Kopf, die Freude im Herzen und die Kraft in den Beinen symbolisiert.
Si
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch