Fussballskandal «Footbelgate»Rolex, Schwarzgeld und eine Verbindung zur Fifa
11 von 18 Clubs der höchsten belgischen Liga sind in «Footbelgate» verwickelt. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Präsidenten, Trainer – und den Technischen Direktor der Fifa.

Sie nannten ihn den «Weihnachtsmann», weil er so grosszügig Geschenke verteilte. Aber diese Zeiten sind vorbei. Dejan Veljkovic hat sich jetzt auf das Gegenteil spezialisiert: Er packt aus. Was zum Vorschein kommt, stinkt zum Himmel. Und es könnte auch den Weltfussballverband Fifa betreffen.
Spielerberater Veljkovic ist zum Kronzeugen geworden in einem «Footbelgate» genannten Skandal, der den belgischen Fussball erschüttert. 11 von 18 Clubs der höchsten Liga sollen verwickelt sein. Unter den 56 Beschuldigten sind Clubpräsidenten, bekannte Trainer, der einstige Verbandspräsident und der aktuelle Technische Direktor der Fifa. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.
Veljkovic war ein grosser Fisch im belgischen Fussballgeschäft. Sein Geschäftsmodell bestand unter anderem darin, dass er Trainer an Clubs vermittelte. Diese verpflichteten dann freudig die ebenfalls von ihm vertretenen Spieler aus Osteuropa und Afrika.
Von 32 Millionen Schwarzgeld sind 20 Millionen Bestechungsgeld
Aber das reichte ihm nicht. Über eine zypriotische Firma stellte er Scheinrechnungen aus, um mehr Geld von den Clubs zu erhalten und gleichzeitig die Steuerbehörde zu hintergehen. Mindestens 32 Millionen Franken an Schwarzgeld soll er so verdient haben. Rund 20 Millionen davon will er sogleich an Trainer und Funktionäre weitergereicht haben.
Das alles ist bekannt, weil Veljkovic nach seiner Verhaftung 2018 den ersten Kronzeugen-Deal in der Geschichte der belgischen Justiz eingegangen ist: Er muss das Schwarzgeld zurückzahlen, erhält fünf Jahre Gefängnis und 80’000 Euro Strafe. Andernfalls hätten ihm 15 Jahre Gefängnis gedroht.
Veljkovic hat nicht nur gegenüber der Justiz ein grosses Mitteilungsbedürfnis. Er verkauft seine Geschichte auch als Buch. Zuletzt hat er im flämischen TV erzählt, wie in Belgiens Fussball jahrelang geschäftet wurde. Er zeichnet dabei das erschreckende Bild einer Selbstbedienungskultur ohne jede Scham.
Ein Trainer von Anderlecht zum Beispiel verlangte seinen Anteil dafür, dass sein Club Spieler verpflichtete. Er schien dabei vor allem um sein Aussehen besorgt. Er erhielt zwei Rolex im Wert von 43’500 Franken, 19 Hemden und hochwertige Massanzüge.
Fast immer geht es darum, dass Teile des Lohns bar unter der Hand ausbezahlt worden sind. Es wurden teure Uhren und Autos verschenkt. Oder es wurde erfundene Berater- und Scouting-Arbeit verrechnet.

Ein solcher Fall müsste auch den Weltfussball-Verband Fifa beschäftigen: 2013 verhandelte Veljkovic den Vertrag von Erwin Lemmens, der Belgiens Goalietrainer wurde. In der Folge sollen die Zahlungen an Lemmens über folgendes Konstrukt gelaufen sein: Die Firma Beneyug Sport Management Ltd. auf Zypern stellte dem belgischen Verband Rechnungen. Von dort floss dann das Geld an Lemmens, der seinerseits Beneyug Sport fingierte Dienstleistungen verrechnete. Präsident der zyprischen Firma: Dejan Veljkovic.
Dieses Konstrukt steht exemplarisch dafür, wie Geld vor den Steuerbehörden versteckt werden sollte. Und wie Club- und Verbandsangestellte über erfundene Arbeitsverträge in die eigene Tasche wirtschafteten.
Für die Fifa ist der Fall darum pikant, weil einer der Beteiligten heute in führender Funktion für sie arbeitet. Steven Martens war 2013 CEO des belgischen Verbands und setzte gemeinsam mit dem damaligen Verbandspräsidenten François De Keersmaecker seine Unterschrift unter den Vertrag mit Lemmens.
Heute ist Martens Technischer Direktor der Fifa. Er ist unter anderem führend in der Werbung für eine Fussball-WM im Zweijahresrhythmus. Und er arbeitet daran, den Weltverband dezentraler zu organisieren, also weniger stark vom Hauptsitz Zürich aus.
Spitzenclubs könnten ihre Lizenz verlieren
Die Staatsanwaltschaft in Belgien will Martens, De Keersmaecker und Lemmens wegen Urkundenfälschung anklagen. Lemmens könnte zudem wegen Geldwäscherei belangt werden. Er darf seit Januar nicht mehr für Belgiens Nationalteam arbeiten. De Keersmaecker besteht darauf, der Vertrag mit Lemmens sei legal gewesen. Die Fifa und Martens haben auf eine Anfrage dieser Zeitung bislang nicht reagiert.
In Belgien selber könnte die Untersuchung für mehrere Spitzenclubs schwere Folgen haben. Die Regeln des belgischen Verbands besagen, dass ein Verein seine Lizenz verliert, wenn sein Präsident oder andere Vorstandsmitglieder wegen krimineller Aktivitäten verurteilt werden. Damit müssten der FC Brügge, Standard Lüttich, Charleroi und Gand um ihren Verbleib in der höchsten Liga zittern.
Bislang gab es mehrere Rücktritte im Vorstand des belgischen Verbands und an der Ligaspitze. Ob die Anklage aber auch juristisch zu Verurteilungen führt, liegt vor allem an Dejan Veljkovic. Beziehungsweise daran, wie sehr die Gerichte den Geschichten des Weihnachtsmanns Glauben schenken.
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