Rom manövriert sich in eine totale Isolation
Lega und Cinque Stelle droht die Bedeutungslosigkeit in der EU. Sie suchen deshalb nach neuen Alliierten.

Stark in Italien, aber allerhöchstens halbstark in Europa. Die Isolierung der populistischen römischen Regierungsparteien Lega und Cinque Stelle im europäischen Kontext nimmt dramatische Ausmasse an. Beiden droht die politische Bedeutungslosigkeit, den Fünf Sternen noch mehr als der rechten Lega.
Bis zum 1. Juli bleibt Zeit, um sich im neu gewählten Europaparlament wenigstens so breit zu verbünden, dass man ein bisschen mitreden kann bei der Vergabe von Posten und bei der Bestimmung der Agenda. Und das ist schon bemerkenswert: Nie in der Geschichte der Europäischen Union waren die Regierungsparteien in Italien, immerhin ein Gründungsmitglied der EU, in Europa in der Opposition.
Im Moment stellen die Italiener noch den Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, den Präsidenten des Europaparlaments, Antonio Tajani, und die Beauftragte für die europäische Aussenpolitik, Federica Mogherini. Drei Topjobs, höchste Hierarchiestufe. In Draghi hatte man einen wichtigen Fürsprecher in schwierigen Zeiten. Dessen Geldpolitik war eine Lebensgarantie für Wirtschaft und Staatsfinanzen während der Krise. Viel besser sind die Zeiten unterdessen nicht geworden, doch Draghis Mandat läuft im Herbst aus. Italien riskiert diesmal, leer auszugehen.
Magnet funktioniert nicht
Die beiden Regierungsparteien sind auf der Suche nach Alliierten fast schon verzweifelt. Der Lega von Innenminister und Vizepremier Matteo Salvini gelang bei den Europawahlen ein spektakulärer Sieg: 34,3 Prozent der Stimmen. Das gibt 28 Sitze, ein Plus von 23. Salvini gilt überdies als Chef des Lagers europäischer «Souveränisten», die nun zusammen eine neue Fraktion formen wollen: In der sogenannten «Europäische Allianz der Völker und Nationen» sitzen dann neben den Abgeordneten der Lega unter anderem auch die von Marine Le Pens Rassemblement National, jene von der AfD, der FPÖ und anderer Parteien.
Die Gruppe erfüllt die Fraktionskriterien leicht, sie zählt also weit mehr als 25 Mitglieder, mit Vertretern aus sieben unterschiedlichen Ländern der EU. Im Moment kommt sie auf 73 Abgeordnete. Das ist zwar eine stattliche Anzahl, aber weit entfernt von den Vorstellungen Salvinis. Vor den Wahlen hatte der von 120 oder 140 Mandaten gesprochen. Er sagte auch gerne, diese «Familie» werde nach den Wahlen noch zusätzlich wachsen, wie ein Magnet werde sie wirken und dann Europa umkrempeln. Doch abgesehen von der Lega und Le Pen haben die meisten Alliierten enttäuscht.
Diesmal riskieren die Italiener, bei der Postenvergabe leer auszugehen. Beim letzten Mal gab es drei Topjobs.
Es ist nicht einmal sicher, ob man es mit 73 Abgeordneten zur viert- oder gar nur zur fünftgrössten Fraktion schafft. Davon wiederum hängt ab, wie viel Einfluss man in Zukunft haben wird. Um Platz vier oder fünf läuft ein Duell mit den Grünen, die leicht vorne liegen, seitdem sie einige kleine Parteien gewinnen konnten. Salvini dagegen erhält Absage um Absage, die wichtigste von allen war jene der ungarischen Partei Fidesz von Premier Viktor Orban, der nun doch lieber bei der Europäischen Volkspartei bleiben möchte. Orban rechnet sich da mehr Einfluss aus.
Die Lega hat es offenbar im Stillen auch noch einmal mit der polnischen PiS versucht. Doch die Partei kann sich schlecht mit Politikern zusammentun, die offen mit Wladimir Putin sympathisieren, wie das Salvini und Le Pen tun. Ein Nein gab es auch vom «Forum für Demokratie» von Thierry Baudet, dem holländischen Rechtspopulisten. Dessen drei Abgeordnete schliessen sich der Gruppe «Europäische Konservative und Reformer» an, genauso wie die drei Entsandten von der spanischen Partei Vox.
Eine Absage gab es auch von Nigel Farage, der mit seiner Brexit Party Wahlsieger in Grossbritannien wurde. Die scheidet zwar aus, sobald die Briten die EU verlassen. Eine Zusage wäre Salvini dennoch ganz genehm gewesen, für das Duell mit den Grünen.
Schwache Freunde
Farage sass in der vergangenen Legislatur in derselben Fraktion wie die Cinque Stelle, zusammen mit einer Reihe kleinerer Rechtsparteien aus dem östlichen Europa. Doch bleibt er auch da für die kurze Zeit? Für die Fünf Sterne entscheidet sich gerade alles. Vor den Wahlen war ihr «Capo politico» und Vizepremier durch Europa getourt, um neue Alliierte zu finden. Er traf sich in Frankreich mit Vertretern der Gelbwesten und mit polnischen, finnischen, kroatischen Rechtsextremen. Er sagte gerne, man werde dann bald das «Zünglein an der Waage» sein.
Die meisten neuen Freunde gewannen keinen einzigen Sitz, und die Cinque Stelle stellen nur noch 14 Abgeordnete. Es besteht jetzt die greifbare Gefahr, dass die stärkste Partei im italienischen Parlament in Europa keine Fraktion findet, die sie aufnehmen möchte. Die Grünen, mit denen sie einige Kämpfe verbindet? Haben brüsk abgesagt. Die Liberalen? Hat man vor einigen Jahren schon einmal umgarnt, ohne Erfolg. Die grossen Bündnisse der Sozialdemokraten und Bürgerlichen? Passt nun wirklich nicht zusammen. So droht den Sternen, dass sie am Ende in der Gruppe der Fraktionslosen enden. Ohne Subventionen für Büros und Mitarbeiter. Ohne Stimme im europäischen Konzert.
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