Roter Halbmond befürchtet bis zu 200 Todesopfer
Das Flüchtlingsboots-Unglück vor der libyschen Küste ist gemäss der Hilfsorganisation noch gravierender als angenommen.

Bei dem neuen Bootsdrama vor der Küste Libyens könnten nach Angaben der Hilfsorganisation Roter Halbmond bis zu 200 Migranten ums Leben gekommen sein. Bisher seien 67 Leichen aus dem Mittelmeer geborgen worden und 138 Menschen würden noch vermisst.
Dies sagte Osama al-Fadhili, Leiter des Roten Halbmonds in der Hafenstadt Al-Chums, der Deutschen Presse-Agentur am Samstag. Es wäre das schwerste Bootsunglück im Mittelmeer im laufenden Jahr.
Das Unglück hatte sich etwa fünf Kilometer vor der libyschen Küste ereignet. Al-Fadhili zufolge waren 360 Menschen an Bord eines Boots, das während der Überfahrt nach Europa in zwei Teile zerbrochen sei. 160 der Insassen seien gerettet worden. Die genaue Zahl der Todesopfer lasse sich womöglich erst feststellen, wenn verbleibende Leichen an die Küste gespült worden seien.
Über die Zahl der Vermissten herrschten widersprüchliche Angaben. Der libyschen Küstenwache zufolge wurden nach dem Unglück 115 Migranten vermisst, die Internationale Organisation für Migration (IOM) und das Uno-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) sprachen von rund 150 Vermissten. Laut libyscher Küstenwache waren 250 Menschen an Bord.
Libyen ist eine zentrale Drehscheibe für Geflüchtete und Migranten, die über das Mittelmeer nach Europa gelangen wollen. In dem nordafrikanischen Land herrscht jedoch Bürgerkrieg, weite Teile des Landes werden von Milizen kontrolliert.
Der Ruf nach der staatlichen Seenotrettung
Angesichts des jüngsten Unglücks vor der libyschen Küste wurden Forderungen nach einer Wiederaufnahme staatlicher Seenotrettung lauter. Es sei einmal mehr deutlich geworden, «wie dringend eine staatlich finanzierte Seenotrettung im Mittelmeer gebraucht wird», sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der «Augsburger Allgemeinen» (Samstagsausgabe).
«Um das Sterben von Menschen im Mittelmeer zu verhindern, brauchen wir endlich ein gemeinsam getragenes Aufnahmesystem und eine faire Verteilung von Geflüchteten auf die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union», fügte Göring-Eckardt hinzu. Der Obmann der Fraktion der Linken im Menschenrechtsausschuss des Bundestags, Michael Brandt, nannte eine staatliche Seenotrettung «dringend erforderlich».
UNO-Flüchtlingskommissar Grandi hatte in einer ersten Reaktion auf das Unglück am Donnerstag eine «Wiederaufnahme der Seenotrettung», ein Ende der «Inhaftierung von Flüchtlingen und Migranten in Libyen» und sichere Fluchtrouten aus Libyen gefordert. UN-Generalsekretär Antonio Guterres forderte im Kurzbotschaftendienst Twitter «sichere und legale Routen für Migranten und Flüchtlinge».
Libysche Küstenwache sei ein Teil des Problems
In der EU ist der Umgang mit den Bootsflüchtlingen heftig umstritten. Bei Beratungen der europäischen Aussen- sowie der Innenminister in Paris gab es am Montag erneut keine Einigung auf einen Verteilmechanismus für die Flüchtlinge.
Italiens Innenminister Matteo Salvini verweigerte am Freitag einem Schiff der eigenen Küstenwache mit 135 Migranten an Bord in Italien anzulegen. Zunächst müsse die EU die Verteilung der Migranten koordinieren; vorher werde kein Hafen geöffnet.
Hilfsorganisationen forderten, dass Migranten nicht nach Libyen zurückgebracht werden dürften. «Alle Flüchtlinge und Migranten, die in Lagern in Libyen festgehalten werden, müssen dringend und umgehend aus diesen evakuiert werden», erklärte die Organisation Ärzte ohne Grenzen. Göring-Eckardt betonte: «Die libysche Küstenwache ist Teil des Problems und nicht der Lösung, weil sie mit kriminellen Schleppern und Schleusern kooperiert und Menschenrechte missachtet.»
Die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini betonte angesichts des jüngsten Katastrophe im Mittelmeer die «eindeutige Verpflichtung» der EU, den «Kampf gegen Schlepper» und die «Kapazitäten der libyschen Küstenwache» zu verstärken. Die libyschen Behörden forderte sie zu einer Beendigung der «willkürlichen Gefangennahme von Migranten» auf. Die Einführung von Mechanismen zur «verbesserten Behandlung der von der libyschen Küstenwache Geretteten», sei dringend nötig, erklärte Mogherini.
AFP/fal
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