«Russland hat womöglich einen Maulwurf in der Schweiz»
Investor William Browder wundert sich über die Verzögerungen bei den Schweizer Ermittlungen zum Fall Sergei Magnitski.

Am 27. Dezember 2016 fuhr Viktor K. (Name geändert), Russland-Experte der schweizerischen Bundeskriminalpolizei und der Bundesanwaltschaft, nach Moskau. Der russische Stellvertretende Generalstaatsanwalt hatte ihm vertrauliche Informationen versprochen. K.s Schweizer Vorgesetzter verbot die Reise, aber K. setzte sich darüber hinweg. Nach seiner Rückkehr wurde er entlassen und ein Strafverfahren gegen ihn eröffnet, wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und des Sich-bestechen-Lassens. K.s Klage gegen die Kündigung wurde vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Die Urteilsbegründung zeigt, dass K. in Moskau mit einer Person zu tun hatte, die auch in den Ermittlungen gegen US-Präsident Donald Trump eine Rolle spielt.
Treffen mit den Trumps
K. erhielt in Moskau die erwarteten Unterlagen nicht. Stattdessen arrangierte der russische Staatsanwalt ein Treffen mit der Anwältin Natalia Weselnitskaja, die Beschuldigte im Fall Magnitski vertritt. Sergei Magnitski war ein russischer Anwalt, der für den amerikanisch-britischen Investor William Browder den Steuerbetrug eines kriminellen russischen Netzwerks untersuchte. Magnitski wurde verhaftet, misshandelt und starb im Gefängnis. Auf Browders Initiative beschlossen die USA mit dem Magnitski Act Sanktionen gegen mutmassliche Mittäter im Fall Magnitski. In der Schweiz fror die Bundesanwaltschaft über 15 Millionen Franken auf Konten der UBS und der Credit Suisse ein.
Anwältin Weselnitskaja intervenierte im Fall Magnitski nicht nur bei dem Schweizer Polizisten, sondern im Juni 2016 in New York bei der Familie Trump. Laut Donald Trump Jr. soll sie belastendes Material gegen Hillary Clinton versprochen haben. Weselnitskaja dementierte das und sagt auf Anfrage: Sie habe keine Ahnung, von wem und von welchem Treffen die Rede sei.
Begann die Bundesanwaltschaft im Fall Magnitski mit Ermittlungen, nachdem Sie Dokumente mit Belegen für Geldwäsche über Schweizer Konten übergaben?
Wir erhielten 2010 erste Informationen, dass Geld aus jenem Verbrechen, das Sergei Magnitski aufdeckte, in die Schweiz auf Konten der Credit Suisse flossen. Auf Basis dieser Informationen haben wir Strafanzeige eingereicht. Die führte zu strafrechtlichen Ermittlungen wegen des Verdachts der Geldwäsche und zum Einfrieren des Vermögens.
Haben Sie danach noch weitere Informationen übergeben?
Ja, 2012 erhielten wir Beweise, dass Gelder aus dem Verbrechen, das Magnitski aufgedeckt hatte, auf die Schweizer UBS-Konten einer russisch-zypriotischen Firma geflossen waren. Diese Konten enthielten rund 8 Millionen Dollar, und die wurden ebenfalls eingefroren. Danach fanden wir noch Geld von derselben Firma in den USA. Also reichten wir auch dort eine Strafanzeige ein, und rund 20 Millionen Dollar wurden eingefroren. Die russische Anwältin Natalia Weselnitskaja vertritt diese Firma in allen Rechtsangelegenheiten weltweit. Allerdings spielte sie in den USA eine weit grössere Rolle. Sie versuchte die Sanktionen, die im Magnitski Act beschlossen wurden, aufzuheben.
Wird in der Schweiz Ihres Wissens immer noch ermittelt?
Ja, die Ermittlungen gehen weiter. Aber wir waren überrascht, wie langsam sie voranschreiten. Andere Länder begannen Ermittlungen auf derselben Basis wie die Schweiz und haben sie aber längst abgeschlossen.
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Video: Wollte Trump Russland-Ermittler Muller entlassen?
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Haben Sie dafür eine Erklärung?
Es kursieren Gerüchte, dass Russland einen Maulwurf bei den Schweizer Behörden hat.
Diese Gerüchte nehmen Sie ernst?
Es gibt ja neue Informationen, weshalb wir diese Gerüchte nun viel ernster nehmen. Wir wissen von der unangebrachten Handlung eines Mitglieds der Schweizer Polizei. Das wirft sehr ernste Fragen auf, was denn hinter den Kulissen vorgeht.
Sie sprechen vom privaten Besuch eines Mitarbeiters der schweizerischen Bundeskriminalpolizei in Moskau und von seinem Treffen mit Natalia Weselnitskaja im Dezember 2016?
Richtig. Ich verstehe nicht, wieso ein Schweizer Polizist als privater Experte Russland besuchen kann und sich einen Teil der Reisekosten von den Russen bezahlen lässt. Und wieso er dann auch noch die Anwältin Natalia Weselnitskaja trifft.
Natalia Weselnitskaja vertritt als Anwältin eine beschuldigte Firma . . .
. . . Natalia Weselnitskaja vertritt aber auch die russische Regierung. Sie macht für Wladimir Putin die Schmutzarbeit bei der Verschleierung des Falls Magnitski. Die Tatsache, dass sie nach Washington ging und eine Kampagne zur Aufhebung des Magnitski Act organisierte, zeigt sehr klar, dass es in ihrer Arbeit nicht nur um Rechtsvertretung, sondern um politische Einflussnahme geht.
Natalia Weselnitskaja hat Sie in einem Interview beschuldigt, Sie würden nur ablenken wollen und Medien sowie Politiker manipulieren.
Es sind doch ihre Klienten, deren Konten in drei verschiedenen Staaten eingefroren wurden: in den USA, in den Niederlanden und in der Schweiz. Sie sollte also die Vorwürfe krimineller Machenschaften klären, nicht ich.
Der russische Generalstaatsanwalt tut alles, um im Fall Sergei Magnitski die Justiz zu behindern.
Hat sie Ihrer Meinung nach direkten Zugang zum Kreml?
Sie arbeitet sehr eng mit Generalstaatsanwalt Juri Tschajka zusammen. Das hat sie auch öffentlich zugegeben.
Sind die Russen nicht daran interessiert, den Fall Sergei Magnitski zu klären?
Die russische Generalstaatsanwaltschaft ist aktiv daran beteiligt, die Rolle hochrangiger Beamten im Fall Magnitski zu verschleiern. Die Anordnung dazu kommt von Präsident Wladimir Putin.
Was macht Ihrer Einschätzung nach die Staatsanwaltschaft in Russland jetzt?
Der russische Generalstaatsanwalt unternimmt alles, um im Fall Sergei Magnitski die Justiz zu behindern. In Russland und weltweit.
War Natalia Weselnitskaja in den Vereinigten Staaten erfolgreich?
Das Team von Donald Trump hat sie vollkommen ignoriert. Sie konnte die Aufhebung des Magnitski Act nicht erreichen. Erst im vergangenen Dezember wurden die Namen vier weiterer Personen auf die Sanktionsliste gesetzt.
Bilder: Sonderermittlungen gegen US-Präsident Trump
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