
Finden Sie dieses Bild sexistisch, das in der Mitte mit dem rosa Hintergrund? Ich habe es jüngst für ein Interview über das Videogirl Alyssa in der Onlineausgabe dieser Zeitung verwendet. Alyssa, 26, aus Berlin, tanzt in Deutschrap-Videos.
Das Bild sorgte für verständnislose, entrüstete Kommentare auf der Redaktion, gerade von Frauen, die eine Generation älter sind als ich – ich bin 32. Das brachte eine Debatte in Gang, die weiter ging als die Frage, ob eine solche Darstellung sexistisch ist oder nicht.
Gut gemeint, aber trotzdem daneben?
Egal, welche guten Absichten hinter der Auswahl des Bildes gestanden hätten, egal, ob es ein Mann oder eine Frau ausgewählt habe, und egal, ob sich die Frau so präsentieren wolle: Da würden zu viele Geschlechtsteile in die Kamera gestreckt, lautete ein Kommentar. Eine andere Frau fühlte sich «äusserst unangenehm» berührt, ein solches Foto anschauen zu müssen. «Ich empfinde das Foto für mich als Frau als klar herabwürdigend», die geschlechtstypische Rollenzuschreibung werde durch das Bild reproduziert. Schlusstenor: Das Bild muss weg.
Ich setze mich fast täglich mit Fragen auseinander, wie Frauen dargestellt werden. Deshalb irritierten mich die Reaktionen. Also sprach ich mit Journalistinnen in meinem Alter, mit Freundinnen und Freunden in meinem Alter, schrieb das feministische Magazin «Fempop» an. All das bestärkte mich, dass meine Bildwahl gerechtfertigt war und meine Meinung dazu vertretbar ist: In diesem Kontext ist das Bild nicht sexistisch.
Was feministisch erlaubt ist und was nicht – Verhandlungssache
Alyssa tanzt freiwillig in Rap-Videos und ist stolz auf ihre Arbeit. Sie hat hart an ihrem Körper gearbeitet, damit sie ihn so präsentieren kann, und verlangt Respekt dafür. Bringt ihr ein Rapper diesen nicht entgegen, weist sie ihn in die Schranken. Darüber spricht sie im Interview. Titel und Lead wiesen klar darauf hin, dass Alyssa das Frausein im Rap und den Umgang mit Frauen in dieser Szene auch kritisch hinterfragt.
Das Bild verkauft also kein anderes Thema, als es darstellt. Würde es das, wäre es tatsächlich sexistisch. Ein Beispiel aus der Werbung: Frau in Unterwäsche wirbt für ein Sofa: Geht nicht. Frau in Unterwäsche wirbt für Unterwäsche: Macht Sinn.
Wieso also nicht Alyssa bei ihrem Job zeigen, so wie den Gärtner im Garten oder die Ärztin im Krankenhaus? Weil es, wie von den einen Frauen bemerkt, trotzdem Assoziationen weckt, die wir so nicht haben wollen? Oder geht es viel eher darum, dass Frauen unter sich keine generelle Vorstellung darüber haben, wie sich eine Frau zeigen sollte, wie sie gezeigt werden darf? Dass die Frage, was feministisch erlaubt ist und was nicht, stets aufs Neue ausgehandelt werden muss? Und dass es da vielleicht auch einen Generationenkonflikt gibt?
My body, my choice
Die Devise «Ich persönlich würde mich nicht so zeigen, sonst nimmt mich niemand ernst» ist hier nicht zielführend. Sie führt zur Frage, ob nur noch jene Feministinnen sein und über Feminismus oder andere Themen sprechen dürfen, die sich «anständig» kleiden und hinsetzen. In einigen sozialen Bubbles wäre dies demnach Frauen wie Alyssa oder einer Frau, die Kopftuch trägt, nicht erlaubt. «Ich möchte Pink tragen und über Politik sprechen», sagt Taylor Swift in ihrer neuen Netflix-Doku. Jede Frau sollte das Recht haben, ihren eigenen Feminismus zu leben, findet Alyssa dazu. My body, my choice. Selbstermächtigung.
Auch Cécile Moser, Mitbegründerin des feministischen Magazins «Fempop», sieht das so. Der weibliche Körper und die weibliche Sexualität würden noch immer tabuisiert. Bilder können einen Beitrag dazu leisten, diese Tabus zu durchbrechen – natürlich Bilder, die im richtigen Kontext stehen. Bilder wie jenes von Alyssa. Sie sollten also auch auf der Onlineseite dieser Zeitung Platz haben. Hier kommen unterschiedlichste Leute zu Wort, hier werden Meinungen gebildet, hier wird der Horizont erweitert.
Frauen sollten sich das Frausein nicht basierend auf ihrem persönlichen Selbstbild oder ihren Empfindungen absprechen oder erlauben. Auch Männer sollten das nicht tun. Wir sollten gemeinsam dafür sorgen, dass allen Frauen zugehört wird, dass sie von allen ernst genommen werden, egal, was sie anhaben. Alles andere ist sexistisch.
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Schadet dieses Bild den Frauen, dem Feminismus, dieser Zeitung?
Ob dieses Foto sexistisch ist, entscheidet der Kontext. Ob die Frau auf dem Bild Feministin ist, entscheidet allein sie. Das sehen aber nicht alle so.