Schettino muss vor Gericht antraben
Neun Monate nach der Havarie der Costa Concordia beginnt die Beweissicherung. Das Gericht in Grosseto klärt ab, wer wegen des Unglücks angeklagt wird. Für Kapitän Schettino könnte dies böse enden.

Vor der Hafeneinfahrt der italienischen Insel Giglio liegt seit Monaten das gigantische Wrack der Costa Concordia. Wie ein Mahnmal erinnert der gekippte Kreuzfahrtriese an die Havarie, die am 13. Januar 32 Menschen in den Tod riss.
Bei einem Beweissicherungstermin, der in Grosseto in der Toskana beginnt und mindestens eine Woche dauern soll, wird vor dem zuständigen Gericht erstmals die vollständige Auswertung des Bordschreibers öffentlich gemacht.
Juristische Aufarbeitung
Auch der Kapitän Francesco Schettino soll Medien zufolge in Grosseto erscheinen. Wie schon aus vorab veröffentlichten Auszügen des Gutachtens hervorging, müssen sowohl Schettino als auch Reederei und Besatzung der Costa Concordia mit schweren Vorwürfen rechnen. Von Leichtsinn, Mängeln und Irrtümern ist die Rede.
Der Termin in Grosseto bedeutet nach Monaten der Pause die Wiederaufnahme der juristischen Aufarbeitung der Tragödie. Ursprünglich hätte die Anhörung bereits im Juli stattfinden sollen, doch die Experten benötigten vor allem für die Auswertung der Blackbox mehr Zeit.
Bergung dauert an
Verzögerungen gibt es auch bei der Bergung des Schiffs. Experten stellten zwar von Anfang an klar, dass es sich um eines der grössten Bergungsmanöver der Seefahrtsgeschichte handele. Doch hatten die Inselgemeinde und das Bergungsteam gehofft, die 290 Meter lange und 114'500 Registertonnen schwere Costa Concordia noch in diesem Jahr zu bergen.
Nun rechnen die Techniker des italo-amerikanischen Bergungskonsortiums mit Ende Oktober 2013. Schuld an der Verspätung seien die widrige See und schwierige Bodenbeschaffenheit, erklärte das Bergungsteam Anfang Oktober.
Insulaner bangen um ihre Existenz
Das sei voraussehbar gewesen, halten Kritiker dagegen. Den Einwohnern der als Naturparadies bekannten Insel «Il Giglio» (»Die Lilie») geht es um ihre Existenz.
Ganze 30 Prozent weniger Touristen habe man in diesem Sommer verzeichnen müssen, erklärte Gemeindesprecher Cristiano Pellegrini. Auch die Tausenden Schaulustigen änderten nichts, denn sie blieben nur für einige Stunden.
Auch der Umweltschutzverband Legambiente ist besorgt, denn «mit der Verzögerung wachsen die Gefahren für die Gewässer erheblich», sagte Legambiente-Sprecher Angelo Gentili. Die Umweltbehörden begleiten die Bergungsarbeiten, damit möglichst wenig von der sensiblen Meeresflora und -fauna zerstört wird.
Wrack für Winterstürme sichern
Die Zeit drängt: Bergungsteams bemühen sich fieberhaft, das Wrack noch vor dem Winter auf einer Unterwasser-Plattform zu sichern. Der Koloss ist bisher nur an einer Seite mit 16 in den Felsen befestigten Bündeln aus Stahlseilen gesichert worden. Ein Abrutschen würde eine Bergung verunmöglichen.
Das Unterwasserpodest sollte eigentlich schon Ende August stehen. Doch die 60 Stützpfähle werden erst jetzt im Meeresboden verankert. Später sollen dann Kräne auf der Seeseite positioniert werden, die das Schiff aufrichten.
Auf der Seite des Schiffs befestigte Stahlcontainer sollen dabei langsam mit Wasser gefüllt werden, um ein Gegengewicht zu bilden. Später sollen sie als Schwimmkörper dienen, um das Schiff dann in einen Hafen schleppen zu können. Insgesamt 300 Millionen Euro soll die Bergung kosten.
Die Costa Concordia war am Abend des 13. Januar zu nah an die kleine Insel herangefahren, hatte einen Felsen gerammt und war dann mit 4200 Passagieren und Besatzungsmitgliedern an Bord gekentert.
Gegen Kapitän Schettino und acht weitere Personen - darunter Vertreter der Reederei wird ermittelt. Dem Kapitän werden unter anderem Havarie und Verlassen des Schiffes noch während der Evakuierung zur Last gelegt.
Haarsträubende Zustände
Was aus den Vorab-Auszügen der Expertenanalyse bereits bekannt wurde, klingt haarsträubend. Nicht nur, dass der Kapitän von Bord ging, noch während sich seine Crew in der Nacht darum bemühte, die Passagiere zu retten.
Sicherheitsnormen seien nicht beachtet worden. Besatzungsmitglieder hätten Anweisungen nicht ordnungsgemäss ausgeführt und seien für Notfälle nicht ausgebildet gewesen, heisst es. Ausserdem hätten Verständigungsschwierigkeiten falsch, verspätet oder gar nicht ausgeführte Manöver zur Folge gehabt.
Ob das Gutachten in der kommenden Woche noch weitere Missstände aufdecken wird, ist offen. Vertreter von Überlebenden und Opferangehörigen haben sich bereits angesagt. Den Anwälten dürfte es darum gehen, höhere Entschädigungen zu erreichen als von der Reederei Costa angeboten.
Den Inselbewohnern geht es nur noch um eines. «Die Insel braucht Normalität - und das so schnell wie möglich», sagte Gemeindesprecher Pellegrini. Dafür sei es nötig, «dass der Dampfer so schnell wie möglich wegkommt».
SDA/wid
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