Schettinos letztes Manöver
In Rom wird das definitive Urteil gegen Francesco Schettino erwartet. Der Kommandant der verunglückten Costa Concordia sieht sich als ideales Opfer.
Ein wohl letztes Urteil noch. Italiens Kassationsgericht wird am Freitag über «Kapitän Feigling» richten. Das ist einer der Namen, den die Medien Francesco Schettino gegeben haben, dem Kommandanten der verunglückten Costa Concordia. Und wenn nicht alles täuscht, werden die obersten Richter im Land die Schuldsprüche unterer Instanzen bestätigen oder gar verschärfen und Schettino ins Gefängnis schicken. Der Generalstaatsanwalt fordert 26 Jahre Haft. Absitzen würde der 56-jährige Schettino seine Strafe im Gefängnis Poggioreale in Neapel. Er kommt aus der Gegend.
Selbstgefälliger Auftritt
Fünfeinhalb Jahre hat die Justiz gebraucht, um diesen Fall zu beenden. Begonnen hatte er am 13. Januar 2012 mit Bildern aus einer klaren Winternacht. Sie zeigten ein grosses Schiff, das wie ein Wal an der Küste der kleinen toskanischen Insel Giglio lag. Die Costa Concordia hatte sich vor der Insel «verneigt». So nannten sie das spektakuläre und gefährliche Passieren der Stelle. Diesmal ging die Show schrecklich schief. Das Schiff lief auf einen Felsen auf und sank. 32 der 4229 Personen an Bord starben, 193 wurden verletzt.
Bald war ausgemacht, dass Schettino alle Schuld trug. Man warf ihm nicht nur die «Verneigung» vor. Sondern auch, dass er das kenternde Schiff verliess, bevor es ganz evakuiert war. Berühmt wurde der mitgeschnittene Funkverkehr mit Gregorio De Falco, dem Dienstchef der Küstenwache von Livorno: «Steigen Sie sofort wieder an Bord, verdammt noch mal!» Alles sprach gegen Schettino – auch sein selbstgefälliger Auftritt im Gericht, Pomade im langen Haar. Das Gericht in Grosseto verurteilte ihn wegen fahrlässiger Tötung in 32 Fällen, der Verursachung einer Katastrophe und dafür, dass er Behinderte und Kinder im Stich gelassen habe. Das Berufungsgericht von Florenz bestätigte das Urteil.
Der Kläger am Kassationshof aber war nun der Meinung, das Strafmass von 16 Jahren und einem Monat sei zu milde. Für Oberstaatsanwalt Francesco Salzano hat sich Schettino mit «bewusster Schuld» beladen, als er seine Dienstpflichten vernachlässigte. Die Verteidigung plädierte, die Justiz habe sich in ihren Mandanten als «idealen Schuldigen» verbissen. Oftmals trug der freilich selbst dazu bei, seinem Ruf zu schaden. Vor dem letzten Urteil riet ihm sein Anwalt deshalb ab, weitere Interviews zu geben. «Es ist wohl besser, mein Klient redet nicht mehr», sagte Saverio Senese auf Anfrage.
Stattdessen gibt es ein Video, in dem sich Schettino gegen die Vorwürfe wehrt: «Die Ehre eines Seemanns» ist 18 Minuten lang. Schettino beteuert darin, die Vorwürfe gegen ihn seien alle falsch. Er sei nicht geflohen, er habe das Schiff erst im allerletzten Moment verlassen – im Glauben, alle Passagiere seien von Bord gegangen. Auf dem Weg zur Küste habe er Personen aus dem Wasser gerettet. Er habe auch nicht zurück an Bord gehen können: Das Schiff sei zu diesem Zeitpunkt bereits zur Hälfte unter Wasser gewesen. «Ich kann es beweisen», sagt er.
Für viele Angehörige war es unverständlich und unerträglich, dass Francesco Schettino bis heute auf freiem Fuss blieb, wie es die italienische Rechtsordnung vorsieht – seit der Katastrophe vor fünfeinhalb Jahren, an der er allein schuld sein soll.
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