Schlug verwahrter Vergewaltiger wieder zu?
Mehrmals wurde dem 55-jährigen Berner Markus W. ein hohes Rückfallrisiko bescheinigt, 2011 wurde er trotzdem in den offenen Vollzug entlassen. Dieser Entscheid hatte nun offenbar verheerende Folgen.
Am 16. Februar nahm die Kantonspolizei Basel-Stadt den Vergewaltiger Markus W. fest und steckte ihn in Untersuchungshaft. «Bei uns ist eine Tatanzeige wegen eines Sexualdelikts eingegangen», bestätigt Peter Gill, Sprecher der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt, einen Bericht des «Blick» von gestern Mittwoch.
Markus W. ist einer der gefährlichsten Triebtäter der Schweiz. Der 55-Jährige hat zwischen 1983 bis 1992 insgesamt 21 Frauen sexuell missbraucht. Das Sexualdelikt in Basel von Mitte Februar, das W. möglicherweise begangen hat, wäre das 22. Offenbar ein Rückfall in alte Muster.
Eine Reihe von Lockerungen
Zuständig für den Fall W. ist der Kanton Luzern. Dort verurteilte das Obergericht 1999 W. zu sieben Jahren Zuchthaus. Diese wurden später in eine Verwahrung umgewandelt. W. erstritt sich vor dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern eine Lockerung und erwirkte schrittweise einen offenen Vollzug. Dabei bescheinigten zahlreiche forensisch-psychiatrische Gutachten, dass der Mann nicht mehr gefährlich sei, andere besagten das Gegenteil.
Eine erste Lockerung erfolgte im Jahre 2008. «Der Gutachter und die Fachpersonen haben sich damals für solche Lockerungen ausgesprochen. Das Gericht hat diese bewilligt und rund eineinhalb Jahre gingen sie problemlos über die Bühne», sagt Heiner Eiholzer, Präsident des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern gegenüber der BaZ. W. kriegte erste begleitete Ausgänge und Urlaube.
Im Jahr 2010 musste das Verwaltungsgericht dann erneut über Vollzugslockerungen entscheiden. Damals gab es zwei Gutachten. Das eine sprach sich für weitere Vollzugslockerungen aus, das andere dagegen. «Das Gericht hat damals nach bestem Wissen und Gewissen auf das erste, positive Gutachten abgestellt», sagt Eiholzer. Anderer Meinung waren die Vollzugs- und Bewährungsdienste des Kantons Luzern. Sie haben sich 2008 wie 2010 gegen Vollzugslockerungen und offenen Vollzug ausgesprochen. «Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern hat aber anders entschieden. Gerichtsurteile sind zu vollziehen», sagt Erwin Rast-Schulz, Mediensprecher des Luzerner Justiz- und Sicherheitsdepartements.
Zurück in geschlossenen Vollzug
Eine Massnahme im Zuge der Lockerung und des offenen Strafvollzugs war für W. das sogenannte Wohn- und Arbeitsexternat. Dieses sollte zur erfolgreichen Resozialisierung beitragen. «Dafür wurde Basel ausgewählt, weil W. in der Stadt über ein funktionierendes Beziehungsnetz verfügte», sagt Rast-Schulz.
Und so lebte W. seit Oktober 2011 alleine in einer Wohnung in Basel. Er musste sich regelmässig bei seinem Bewährungshelfer melden sowie Termine bei seinem Psychotherapeuten einhalten. Im Kurort Rheinfelden ging er in die Rehabilitation wegen eines Rückenleidens. Zur Überwachung seines Arrests trug W. elektronische Fussfesseln. Diese zeichneten mit einem Signal auf, ob er sich zu Hause befand oder nicht.
Seine Wohnung durfte W. von abends bis morgens jeweils nicht verlassen. Wo W. die mutmassliche Tat begangen hat und ob die Fussfesseln einen Hinweis auf den Aufenthaltsort zur Tatzeit geliefert haben, wollte die Staatsanwaltschaft gestern nicht sagen. «Ungeachtet dessen, ob sich die Vorwürfe bestätigen oder nicht, haben die Vollzugs- und Bewährungsdienste des Kantons Luzern die Rückversetzung des Angeschuldigten in den geschlossenen Vollzug verfügt», sagt Rast-Schulz. Dies werde unmittelbar nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft vollzogen.
«Ich bin Journalist, nicht Anwalt»
Ungewöhnlich ist an diesem Fall nicht nur die Tatsache, dass der Täter trotz anders lautender Empfehlungen in den offenen Vollzug kam. Auch von Seiten der Medien wurde dem Vergewaltiger offenbar mehr Vertrauen entgegen gebracht, als er verdient zu haben scheint. In der Online-Ausgabe des «Blick» wird vor allem ein Journalist für seine Berichterstattung kritisiert: Matthias Ninck schrieb im «Magazin» des Tages-Anzeigers 2009 einen Artikel über den Straftäter W., der mit folgenden Worten beginnt: «Diese Geschichte handelt von einem Mann, der verwahrt ist, und mehr noch: Sie ergreift Partei für ihn.» Der mit einem Decknamen bedachte W. sei laut Ninck kein Vergewaltiger – «er war es». Schon zwei Jahre zuvor hat Ninck einen von Blick.ch als «Streitschrift» bezeichneten Artikel publiziert, mit dem Titel «Das Leben eines Weggesperrten».
Matthias Ninck verteidigt gegenüber Blick.ch seine Berichterstattung: «Ich bin nicht auf W. hereingefallen, weil ich mich nicht auf ihn verlassen habe. Ich habe mich auf die Akten verlassen, in deren Besitz ich vollständig bin. Aus diesen Akten geht hervor, dass man W. eine Chance geben könnte mit Vollzugslockerungen – das fanden Psychiater, die Fachkommission zur Überprüfung der Gemeingefährlichkeit und das Luzerner Verwaltungsgericht.» Sein Thema sei der Rechtsstaat, nicht eine einzelne Person. In seinen Texten erzähle er jeweils einen Fall, um etwas Grundsätzliches aufzuzeigen. «Ich bin Journalist, nicht Anwalt.»
Erwähnt wird ausserdem ein Artikel des «Beobachter» aus dem Jahr 2006, in dem W. als «freundlich», «eloquent» und «intelligent» bezeichnet wird.
Mit Textteilen aus dem heutigen BaZ-Artikel von Martin Regenass
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