
Seit der Rücktrittsankündigung von Ueli Maurer ist die politisch-mediale Feinmechanik der Bundesratswahl wieder voll im Gang. Und wie jedes Mal dominieren die parteipolitischen und regionalen Abwägungen, während die fachlichen und menschlichen Kompetenzen nur am Rande erwähnt werden.
Dieses einseitige Selektionsverfahren, das lange für politische Stabilität in der Schweiz sorgte, gefährdet nun die Zukunftsfähigkeit des Landes. Im Hinblick auf die enormen Herausforderungen ist es höchste Zeit, das Anforderungsprofil für zukünftige Bundesrätinnen und Bundesräte anzupassen, damit die Landesregierung ihrer Rolle im 21. Jahrhundert endlich gerecht werden kann. Die «Chume nöd drus»-Mentalität hat im Bundesrat keinen Platz mehr.
Die Schweiz ist heute rasanten wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen ausgesetzt. Diese verursachen tiefgreifende politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen. Die Schweiz muss den daraus entstehenden Chancen und Risiken angemessen begegnen, denn sonst riskiert sie, immer mehr ins Abseits zu geraten und dadurch ihren Wohlstand und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden.
Gefragt sind Verständnis, Transparenz und Kommunikationsfähigkeit, gepaart mit einem feinen Gespür für den Ausgleich der verschiedenen Interessen.
Wir brauchen eine Regierung, die digitale Transformationsprozesse und wissenschaftliche Methoden versteht, die ihre politischen Entscheide auf Fakten und Wissenschaftlichkeit basiert, die Krisenmanagement beherrscht, die antizipiert (nach dem Prinzip «gouverner, c’est prévoir») und Kommunikationsfähigkeit beweist, die der Komplexität krisenhafter Lagen gerecht wird. Nur so werden wir als Land der technologischen Entwicklung und den globalen Krisen angemessen begegnen können.
Gleichzeitig können diese grundlegenden Kompetenzen ihre Wirkung nur dann entfalten, wenn sie mit echtem Einfühlungsvermögen einhergehen. Denn erhöhte fachliche Anforderungen dürfen nicht einer Entmenschlichung der Politik den Weg ebnen, welche die Schweiz dank ihren Mechanismen der direkten Volksmitsprache – insbesondere dem Milizsystem und der direkten Demokratie – bis heute erfolgreich hat verhindern können.
Die komplexen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts verlangen der Politik allerlei schwierige Entscheidungen ab. Damit die Bevölkerung diese Entscheidungen nachvollziehen und mittragen kann, braucht es auf politischer Ebene ein besonderes Mass an Verständnis, Transparenz und Kommunikationsfähigkeit, gepaart mit einem feinen Gespür für den Ausgleich der verschiedenen Interessen in der multikulturellen, mehrsprachigen Schweiz.
Selbstverständlich ist das Persönlichkeits- und Kompetenzprofil der Regierungsmitglieder nur ein Puzzleteil der Zukunftsfähigkeit der Schweiz. Institutionelle Reformen für die Resilienz und Zukunftsfähigkeit der Schweiz sind auch weiterhin von grösster Wichtigkeit. Die unlängst geforderte Schaffung eines Technologiedepartements in einem horizontal erweiterten Bundesrat mit neun Mitgliedern ist ein Beispiel dafür. Damit die Schweiz handlungsfähig bleibt, muss sie ihre Entscheide auch auf wissenschaftlicher Basis fällen und diese dann solide und wirksam mit aktueller Technologie umsetzen.
Marcel Salathé und Hannes Gassert sind Mitgründer der Organisation CH++, die sich für wissenschafts- und technologiebasierte demokratische Entscheide einsetzt.
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Gastbeitrag zur Bundesratswahl – Schluss mit der «Chume nöd drus»-Mentalität
Das Anforderungsprofil für künftige Mitglieder der Landesregierung muss dringend geändert werden: Entscheidend ist die fachliche und menschliche Kompetenz in den wichtigsten Herausforderungen der Schweiz.