Schülerin mit Kopftuch heimgeschickt – Stadt Thun schaltet sich ein
An einer Thuner Oberstufenschule ist eine Schülerin vom Unterricht ausgeschlossen worden, weil sie ein Kopftuch trägt.

Kopfbedeckungen seien gemäss der Hausordnung nicht erlaubt, sagt die Schulleitung. Der Thuner Schulvorsteher Roman Gimmel bestätigte eine Meldung der «SonntagsZeitung» grundsätzlich, konnte aber keine detaillierten Aussagen zum Fall machen. Er sagte auf Anfrage, er habe am Samstagabend vom Fall erfahren.
Für Montag habe er nun eine Sitzung einberufen, an der er sich aus erster Hand über die Situation ins Bild setzen wolle. An dieser Sitzung werde dann das weitere Vorgehen festgelegt. Laut der «SonntagsZeitung» ist die Schülerin bald 15-jährig. Sie sei nicht grundsätzlich vom Unterricht an der Oberstufenschule Länggasse ausgeschlossen worden, sondern nur dann, wenn sie mit Kopftuch erscheine. Es sei der eigene Entscheid der jungen Muslimin, ein Kopftuch zu tragen, heisst es im Artikel.
Kein Gesetz, nur Empfehlungen
Kopftücher in bernischen Schulen waren in den letzten Jahren hin und wieder ein Thema. Der bernische Grosse Rat lehnte im Juni 2011 sehr deutlich eine Motion eines SVP-Vertreters ab, der die Kantonsregierung verpflichten wollte, eine kantonale Kleiderordnung für die Volksschule auszuarbeiten. Sie hätte nach dem Willen des SVP-Grossrats auch ein Kopftuchverbot enthalten.
Die Ratsmehrheit befand damals, eine kantonale Regelung wäre übertrieben. Die Kleiderfrage solle den einzelnen Schulen überlassen werden. Die kantonale Erziehungsdirektion schreibt im Leitfaden «Umgang mit kulturellen und religiösen Symbolen und Traditionen in Schule und Ausbildung» von 2009, Schülerinnen und Schüler dürften beispielsweise eine Kippa, ein Kopftuch oder ein Kruzifix tragen oder mit religiös motivierten Frisuren daherkommen. Schliesslich habe der Kanton Bern bisher keine Bekleidungsvorschriften für Schulen erlassen.
Unter «Empfehlungen» ist zu lesen: «Kann die Schule aufgrund religiöser Vorschriften ihren Bildungsauftrag allerdings nicht wahrnehmen, ist die Bekleidungsfreiheit durch die Schulkommission bzw. die Schulleitung einzuschränken.» Als Beispiel wird etwa eine Burka, also ein Ganzkörperschleier, genannt, welche die Kommunikation und Bewegungsfreiheit der Schülerinnen einschränke.
Erwin Sommer, Vorsteher des kantonalen Amts für Kindergarten, Volksschule und Beratung, räumte auf Anfrage ein, dass der Leitfaden und der Wille, die Kleidervorschriften den Schulen zu überlassen, widersprüchlich wirken könnten. In den letzten Jahren habe es aber keine Probleme gegeben mit Kopftüchern an bernischen Volksschulen. Nur wegen des Falls in Thun sei es kaum angebracht einzugreifen. Bisher sei der Kanton gut gefahren mit der Devise, in diesem Bereich keine Vorschriften zu machen.
Fall fürs Bundesgericht
Besonders viel zu reden geben Kopftücher derzeit im Kanton St. Gallen. Dort will ein bosnisches Elternpaar muslimischen Glaubens, dass ihre Tochter mit Kopftuch zur Schule gehen darf. In einem der Verfahren, in dem es um diese Familie geht, bewertete das St. Galler Verwaltungsgericht das Kopftuchverbot in der Schule im November 2014 als unverhältnismässigen Eingriff in die Glaubens- und Gewissensfreiheit und hob es auf. Der Schulrat von St. Margrethen zog den Entscheid weiter. Erwartet wird nun ein Grundsatzentscheid des Bundesgerichts.
2013 hatte das oberste Schweizer Gericht bereits entschieden, dass zwei muslimische Schülerinnen aus Bürglen TG weiterhin mit dem Kopftuch die Schule besuchen dürfen. Auf Basis der Schulordnung sei die Anordnung eines generellen Verbots zum Tragen des Kopftuchs nicht zulässig. Diese Frage müsste nach Ansicht der Richter aus Lausanne in einem formellen Gesetz geregelt werden.
SDA/thu
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