Schulz fordert Homo-Ehe – sonst keine Koalition
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz macht die Ehe für Schwule und Lesben zur Bedingung für jede Koalition nach der Bundestagswahl.
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat die Ehe für Schwule und Lesben zur Bedingung für jede Koalition nach der Bundestagswahl gemacht. «Ich werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem die Ehe für alle nicht verankert ist», sagte Schulz am Sonntag beim Bundesparteitag der Sozialdemokraten in Dortmund.
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Parteitag der Sozialdemokraten in Dortmund scharf angegriffen. (Video: Tamedia/AFP)
Familie sei nicht nur «Vater-Mutter-Kind», sondern da, wo Menschen Verantwortung füreinander übernähmen. Dazu gehörten auch homosexuelle Paare.
Eine Woche zuvor hatten bereits die Grünen die Ehe für alle zur roten Linie für Koalitionen erklärt. Linke und FDP sind auch dafür, die Ehe zu öffnen, die Union bisher nicht. Nach aktuellen Umfragen ist eine Neuauflage der grossen Koalition unter Führung der Union die wahrscheinlichste Machtoption für die SPD.
30 Mal vertagt
Die grosse Koalition hat in dieser Legislaturperiode die Beratung über Gesetzentwürfe von Grünen, Linken und dem Bundesrat zur Ehe für alle 30 Mal vertagt und eine Abstimmung verhindert. In Reden im Bundestag hatten SPD-Politiker für die Ehe-Öffnung gesprochen. Mit Grünen und Linken im Parlament dafür zu stimmen, hätte aber einen Bruch der Koalition bedeutet. Beim Bundesverfassungsgericht war die Opposition mit dem Versuch gescheitert, eine Abstimmung im Bundestag zu erzwingen.
Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte die Homo-Ehe bereits zur Bedingung für eine Koalition erklärt. Im Leitantrag der SPD zum Wahlprogramm, über das die Delegierten in Dortmund am Sonntag abstimmen sollten, heisst es: «Wir werden daher die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnen und wollen die Ehe für alle. Das schliesst das Adoptionsrecht ausdrücklich mit ein.»
SPD verabschiedet einstimmig Wahlprogramm
Martin Schulz spricht schon fast eine Stunde, es geht gerade um die Stabilisierung des Rentenniveaus. Plötzlich unterbricht er seine Rede auf dem Programmparteitag. «Mann, ist das heiss hier», sagt er und entledigt sich seines Jacketts. In der Dortmunder Westfalenhalle brandet Applaus auf. Schulz, so scheint es, wird an diesem Tag von seiner Partei für alles gefeiert.
Ausserhalb der SPD, die Schulz im März mit 100 Prozent an ihre Spitze wählte und heute auch das Wahlprogramm einstimmig beschliesst, hält sich die Begeisterung für den Kanzlerkandidaten allerdings in Grenzen. Meinungsforscher sehen die Sozialdemokraten weit hinter der Union. Schulz versucht das mit einer kämpferischen Rede zu ändern, in der er sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vorknöpft.
Anschlag auf Demokratie
Schulz wirft Merkel vor, sich inhaltlichen Debatten zu verweigern. Dies sei «ein Anschlag auf die Demokratie». Auch andere Parteitagsredner arbeiten sich an der Kanzlerin ab. Juso-Chefin Johanna Uekermann erklärt, ihre Generation habe Merkel «satt». SPD-Vizechefin Manuela Schwesig bescheinigt der Regierungschefin, sie könne nur «aussitzen, abschwächen und wegschwurbeln».
Neben scharfen Attacken auf die Union bemüht sich die SPD in Dortmund um Harmonie und Geschlossenheit. Bereits am Vortag wurden letzte Konfliktthemen wie die Wiedereinführung der Vermögensteuer und die künftige Höhe des Rentennivaus abgeräumt – in beiden Fällen will der Parteivorstand eine Prüfkommission einsetzen. Beim Parteitag selbst kommt Schulz dann noch dem SPD-Nachwuchs entgegen und verspricht Nachbesserungen beim Bafög.
Die Debatte über das Wahlprogramm fällt knapp aus – was auch daran liegt, dass der Parteitag wegen des grossen Andrangs mit Verspätung begonnen hat. Mehr als 6000 Gäste füllen die Ränge in der Westfalenhalle, über der Bühne prangt in grossen weissen Buchstaben auf rotem Grund der Schulz-Slogan «Zeit für mehr Gerechtigkeit».
Auch Schröder am Rednerpult
Nach langer Zeit darf auch Gerhard Schröder wieder eine politische Ansprache auf einem SPD-Parteitag halten, er ist als Mutmacher eingeladen. Der Altkanzler, dem vor allem Parteilinke die arbeitsmarktpolitischen Reformen der Agenda 2010 verübeln, erinnert die Sozialdemokraten an seine Aufholjagd im Bundestagswahlkampf 2005. Damals hätten die Meinungsforscher die SPD noch wenige Wochen vor der Wahl mehr als 20 Prozentpunkte hinter der Union gesehen. Am Ende habe es «knapp» nicht für den Wahlsieg gereicht. «Aber wir haben gekämpft», sagte Schröder. «Was damals ging, liebe Genossinnen und Genossen, das geht heute auch.»
Über die von Schulz geplanten Änderungen an der Agenda 2010 spricht der frühere Bundeskanzler nicht. Dafür schwelgt er in Erinnerungen an seine Weigerung aus dem Jahr 2002, mit dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush in den Irakkrieg zu ziehen. Auch dem gegenwärtigen US-Präsidenten Donald Trump müsse Deutschland «selbstbewusst entgegentreten». Das geschehe ihm «noch ein bisschen zu wenig» – eine weitere Spitze gegen die Kanzlerin.
Minutenlanger Applaus für Schulz
Schulz nimmt dieses Zuspiel auf und seziert den auf Trumps Aussenpolitik gemünzten Merkel-Satz, dass die Zeit, in denen sich Deutschland und Europa auf «andere» verlassen könnten, «ein Stück weit» vorbei sei. «Wie unkonkret darf es denn bitteschön sein?», spottet der SPD-Kanzlerkandidat und vergisst nicht zu erwähnen, dass sich Merkel als damalige Oppositionsführerin für eine deutsche Beteiligung am US-Einmarsch in den Irak ausgesprochen.
Schulz erhält für seine Rede fast zehn Minuten Applaus, die Delegierten erheben sich von ihren Stühlen. Die eigenen Leute hat der SPD-Kanzlerkandidat auf den Bundestagswahlkampf eingestimmt. Nun bleiben ihm noch 13 Wochen, auch die Wähler von sich zu überzeugen –und anders als Schröder nach der Aufholjagd auch vor der Union zu landen.
SDA/kaf
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