«Umweltschutz ist wichtiger als Fussball»
Wegen der gestrigen Greenpeace-Aktion musste das Champions-League-Spiel des FC Basel unterbrochen werden. Yves Zenger, Sprecher der Umweltschutzorganisation, rechtfertigt das Vorgehen.
Greenpeace erhielt gestern die Aufmerksamkeit eines Millionenpublikums. Sind Sie stolz, dass die Aktion gelungen ist?
Die Aktion war kein Selbstzweck. Wir wollten Gazprom – dem Sponsor der Champions League und von Schalke 04 – die Rote Karte zeigen. Ihre Ölbohrungen in der Arktis sind gefährlich. Sie bedrohen damit eine einzigartige Tierwelt und Menschen, die dort leben. Der Konzern spielt russisches Roulette mit einem der letzten intakten Ökosysteme der Welt. Die Aktion sollte nicht zuletzt darauf aufmerksam machen, dass der Klimawandel letztlich auch die Schweiz betrifft.
Nun fragen sich alle, wie es Greenpeace gelang, an den Sicherheitskräften vorbei und unbemerkt aufs Stadiondach zu gelangen.
Die Aktivisten geben darüber keine Auskunft. Ich kann nur sagen, dass sich vier von ihnen vom Dach abseilten. Dabei wurden sie von weiteren Arktisschützern unterstützt.
Der europäische Fussballverband Uefa betont die strikte Trennung von Politik und Fussball. Die Uefa dürfte an der Aktion keine Freude haben.
Dann frage ich zurück: Wenn Politik nichts im Sportstadion zu suchen hat, was haben Staatskonzerne wie Gazprom dort verloren? Fussball ist keine politfreie Zone. Die Weltkonzerne, die sich finanziell am Sport beteiligen, machen letztlich nichts anderes als Wirtschaftspolitik.
Die Aktion soll also nicht dem Selbstzweck dienen. Gehören solch spektakulär inszenierte Aktion nicht zur Vermarktungsstrategie von Greenpeace?
Es geht uns um die Sache und nicht um die Selbstinszenierung. Wir wollten ein Zeugnis ablegen vom Verbrechen an der Umwelt. Dafür haben wir uns den Ort ausgesucht, an dem Gazprom als einer der Hauptsponsoren in Erscheinung tritt. Zudem wollten wir darauf aufmerksam machen, dass sich nach wie vor 30 Aktivisten und Aktivistinnen in russischem Gewahrsam befinden.
Greenpeace lebt und finanziert sich durch solche Aktionen. Das können Sie kaum abstreiten.
Klar, unsere Spenderinnen und Spender sind für uns von grosser Wichtigkeit. Doch wir sind uns auch bewusst: Solche Aktionen sind für unser Image nicht nur förderlich. Wir haben über Nacht bereits viele Reaktionen erhalten. Darunter einige negative.
Zum Beispiel?
Einige kritisieren, dass Politik nichts im Fussballstadion zu suchen habe. Andere Reaktionen sind äusserst primitiv und reichen bis weit unter die Gürtellinie.
Haben Sie Verständnis für Leute, die sich an einem Fussballmatch nicht mit politischen Angelegenheiten auseinandersetzen wollen?
Uns haben auch Zuschriften von Leuten erreicht, die uns sagen, dass Umweltschutz wichtiger sei als ein Fussballmatch. Ich bin schon ein bisschen schockiert, dass es so viele Leute gibt, denen ein Fussballmatch mehr bedeutet als der Schutz unserer Lebensgrundlagen. Uns ist wichtig zu sagen, dass wir nichts gegen Fussball haben. Wir wünschen dem FC Basel viel Erfolg.
Haben Sie kein Verständnis für negative Reaktionen?
Schon. Aber die Aktion soll zeigen, dass wir uns nicht mundtot machen lassen wollen – auch nicht von einem russischen Staatskonzern festhält. Wenn es darum geht, auf Umweltzerstörung hinzuweisen, bleiben wir unabhängig.
Rechnen Sie mit einem rechtlichen Nachspiel?
Bisher ist mir nichts zu Ohren gekommen. Wir wissen nicht, was unsere Aktivistinnen und Aktivisten erwartet.
Dem FC Basel droht nun ein Disziplinarverfahren.
Es kann gut sein, dass die Uefa diese Aktion nicht dulden wird und deshalb eine Busse gegen den Club ausspricht.
Der Club hat mit der von Ihnen angeprangerten Umweltverschmutzung nichts zu tun. Wäre eine Strafe nicht ungerecht?
Ja. Es würde aber vor allem die Engstirnigkeit der Uefa zeigen. Dass der Verband nicht davor zurückschreckt, mit Konzernen anzubandeln, die unsere Lebensgrundlagen zerstören.
Erstellt: 02.10.2013, 15:14 Uhr

«Wenn Politik nichts im Sportstadion zu suchen hat, was haben Staatskonzerne wie Gazprom dort verloren?» Greenpeace-Sprecher Yves Zenger. (Foto: Greenpeace.ch)
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Russland: Anklage gegen Marco Weber eingereicht
Die russische Justiz hat heute die Anklage gegen 30 Greenpeace-Aktivisten wegen des Versuchs der Erstürmung einer Ölplattform in der Barentssee eingeleitet. Eine Sprecherin des Untersuchungskomitees in Moskau sagte, die Ermittler hätten «die Anklageprozedur» begonnen.
Ob sich die Aktivisten wegen Piraterie oder wegen eines weniger schweren Vorwurfs verantworten müssen, vermochte die Sprecherin zunächst nicht zu sagen. Piraterie kann in Russland mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft werden.
4 Russen und 26 Aktivisten aus 17 anderen Ländern – darunter auch der 28-jährige Marco Weber aus der Schweiz – wurden nach ihrer Protestaktion am 19. September für zwei Monate in Untersuchungshaft genommen. Sie waren mit dem Greenpeace-Eisbrecher Arctic Sunrise zu einer Ölbohrplattform des russischen Energieriesen Gazprom gefahren, um auf die Gefahren durch die Gas- und Ölförderung in der Arktis aufmerksam zu machen.
Das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) verfolgt die Entwicklungen im Fall. Ein Mitarbeiter der Schweizer Vertretung in Russland traf den Schweizer in Murmansk. «Die zuständige Vertretung des EDA steht in Kontakt mit den lokalen Behörden und mit den Vertretern jener Länder, deren Bürger angeklagt sind», schrieb das EDA auf Anfrage.
In der Schweiz stehe der Konsularische Schutz des EDA in Verbindung mit den Angehörigen des Schweizer Bürgers. Zum Schutz der Person mache das EDA aber keine weitere Angaben.
(sda)
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