Auch der Ständerat will wieder mehr Freiheitsstrafen
Das Parlament ist sich im Grundsatz einig: Künftig sollen die Gerichte wieder weniger Geldstrafen verhängen, und zudem höchstens teilbedingte. Ein grundsätzlicher Punkt ist aber noch nicht geklärt.

Strafen sollten eine abschreckende Wirkung haben und bei begangener Tat dem Opfer wie auch der Gesellschaft Genugtuung geben. Nach Ansicht des Parlaments taugen Geldstrafen, vor allem bedingte Geldstrafen, dafür nur bedingt. Kaum in Kraft, soll das Sanktionenrecht darum bereits wieder geändert werden.
Als Zweitrat befasste sich der Ständerat mit der Vorlage, die der Bundesrat aufgrund der Kritik am System der Geldstrafen ausarbeiten liess. Geldstrafen waren 2007 eingeführt worden, um den Strafvollzug von den vielen kurzen Freiheitsstrafen zu entlasten.
Die Strafvollzugsbehörden meldeten schon vor Inkrafttreten des neuen Sanktionenrechts Zweifel an. Von den Medien befeuert, nahmen die eidgenössischen Räte, die das System wenige Jahre zuvor selber beschlossen hatten, die Kritik auf. Sie überwiesen zahlreiche Vorstösse mit der Forderung, Geldstrafen wieder abzuschaffen oder zumindest zurückzudrängen.
Zu milde Strafe
Dass diese wirkungslos wären, konnte in den wenigen Jahren seit der Einführung nicht nachgewiesen werden. Weder habe sich die Kriminalitätsentwicklung verändert noch sei die Rückfallquote gestiegen, rief Stefan Engler (CVP/GR), Präsident der ständerätlichen Rechtskommission, in Erinnerung. «In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit und der Politik sind die Strafen aber zu milde.»
Entscheidend sei aber nicht der «Volkszorn», sondern die Kritik der Staatsanwälte, Gerichte und Anwälte, sagte Pirmin Bischof (CVP/SO). Eine bedingte Geldstrafe verstehe niemand, «insbesondere nicht die Täter».
Justizministerin Simonetta Sommaruga zeigte Verständnis für den Wunsch nach einer Gesetzesänderung – obwohl die Erfahrungen mit den Geldstrafen für definitive Schlüsse noch zu gering seien. «Die Statistik ist das eine, das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Strafrecht das andere», sagte sie.
Weiterhin bedingte Geldstrafen
Die vom Bundesrat vorgelegte Gesetzesrevision hat zum Ziel, die Geldstrafe zwar nicht abzuschaffen, aber doch zurückzudrängen und vor allem auf weniger schwere Fälle zu beschränken. Der Nationalrat, der die Vorlage im letzten Herbst beriet, ist auf diesem Kurs geblieben. Er hat aber zahlreiche Änderungen beschlossen.
Insbesondere will die grosse Kammer die bedingten Geldstrafen weiterhin zulassen, wenn «besonders günstige Umstände» vorliegen. Für den Ständerat genügt es, dass keine ungünstige Prognose vorliegt. Gemäss seinem Beschluss muss die Hälfte einer Geldstrafe aber in jedem Fall unbedingt ausgesprochen werden.
«Dies macht aus jeder Geldstrafe eine spürbare Sanktion und setzt auch für die Bevölkerung ein sichtbares Zeichen», sagte Engler. Der Antrag, die bedingte Geldstrafe ganz abzuschaffen, fand keine Mehrheit.
Uneinig sind sich die Räte auch in einem grundsätzlichen Punkt: Während der Nationalrat den Vorrang von Geldstrafen gegenüber Freiheitsstrafen unter sechs Monaten aufheben will, möchte der Ständerat diesen beibehalten.
Nur wenn zu erwarten ist, dass die Geldstrafe nicht bezahlt wird, soll eine unbedingte Freiheitsstrafe ausgesprochen werden können. Kurze unbedingte Freiheitsstrafen sollen auch dann verhängt werden, wenn ein Täter nur so von der Begehung weiterer schwerer Straftaten abgehalten werden kann.
Gefängnis nicht nur bei schweren Delikten
Zurückgedrängt werden Geldstrafen aber auf jeden Fall, da diese nur noch bis zu 180 Tagessätzen verhängt werden dürfen. Die Räte sind sich darüber einig, das heute geltende Maximum von 360 Tagessätzen zu halbieren. Das wird dazu führen, dass auch bei mittelschweren Delikten wieder vermehrt auf eine Freiheitsstrafe erkannt wird.
Gefeilscht wird dagegen um die minimale Höhe eines Tagessatzes, der abhängig von der finanziellen Situation eines Täters festgelegt wird. Der Nationalrat hatte ein Minimum von 30 Franken beschlossen. Der Ständerat befürchtete aber, dass bei diesem Betrag mittellose Verurteilte benachteiligt werden könnten.
Für wohlhabende Täter ist die Sache mit der Bezahlung der Geldstrafe erledigt. Wer nicht zahlen kann, muss als Ersatzstrafe jedoch ins Gefängnis. «Das ist nicht die Justiz, die wir wollen», sagte Sommaruga. Die kleine Kammer entschied sich daher für einen minimalen Tagessatz von 10 Franken.
Vollzug mit elektronische Fussfessel
Im Hinblick auf die zusätzlichen Freiheitsstrafen, die nach der Revision des Sanktionenrechts ausgesprochen werden dürfen, hat der Bundesrat auch den Vollzug überarbeitet. Beide Räte sind dabei im Wesentlichen auf dem vorgezeichneten Kurs geblieben. So soll der Strafvollzug mit elektronischer Fussfessel, der heute nur in einigen Kantonen möglich ist, im Gesetz verankert werden.
Freiheitsstrafen sollen auch in Form von gemeinnütziger Arbeit vollzogen werden können. Im geltenden Recht handelt es sich dabei um eine eigene Strafe, was sich aber nicht bewährt hat. Bei den alternativen Vollzugsformen, zu welchen auch die Halbgefangenschaft gehört, hat der Ständerat jedoch zahlreiche Änderungen gemacht, damit diese nach den gleichen Voraussetzungen durchgeführt werden. Insbesondere sollen diese nur auf Antrag der Verurteilten möglich sein.
In der Gesamtabstimmung sprach sich der Ständerat mit 27 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltungen für die Vorlage aus. Diese geht nun mit zahlreichen Differenzen zurück an den Nationalrat.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch