Aussenpolitik aus Überzeugung
Neue Wege in der Europapolitik sind möglich.
Es ist eine gemischte Bilanz, die Aussenminister Burkhalter hinterlässt. Sein Abgang ist zu bedauern, da die Schweiz einen Staatsmann und einen wichtigen Konsenspolitiker im Bundesrat verliert. Die Lücke ist aber auch eine Chance, Orientierung ins Europa-Dossier zu bringen. Dafür müssen sich drei Punkte ändern in der Aussenpolitik: Erstens muss die Federführung im Europa-Dossier ins Aussenministerium. Zweitens braucht dieses Aussenministerium eine Strategie, wie es die breite Bevölkerung, die Wirtschaft und weitere Stakeholder in die Europadiskussion mit einbezieht. Und drittens braucht es eine Pilotin oder einen Piloten, der bereit ist, sein politisches Gewicht in die Waagschale zu werfen.
Seit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative haben vor allem Doris Leuthard und Simonetta Sommaruga Europapolitik betrieben. Es waren die Fragen der Zuwanderung, die dieses Dossier dominiert haben, zeitweise wurde auch über Energiepolitik gesprochen. Didier Burkhalters EDA konnte oder wollte sich dabei nicht in Szene setzen. Die vom Gesamtbundesrat blockierte Nominierung von Ex-Staatssekretär Yves Rossier zum Chefunterhändler im Europa-Dossier ist nur ein Beispiel dafür.
Der Einbezug der Bevölkerung scheint eine Frage der Kommunikation.
Der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Burkhalter muss darauf bestehen, in zentralen europapolitischen Fragen wie dem freien Personenverkehr, der europäischen Energiepolitik, dem digitalen Binnenmarkt oder der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung die politische Leitung zu übernehmen.
Der Einbezug der Bevölkerung scheint eine Frage der Kommunikation. Diese Definition greift aber zu kurz. Das Aussenministerium muss sich im Zuge der Digitalisierung eigentlich neu erfinden. In den vergangenen hundertfünfzig Jahren hat es mit Botschaftern, Diplomaten und Gesandten in die Welt gelauscht, um nach Bern zu rapportieren. Ein modernes Aussenministerium muss heute aber auch ins Netz. Und es muss sich aktiv in den Diskurs einbringen. Wenn es die Weisheit der Crowd zu nutzen versteht, dann wird es die Jungen erreichen, wie es sich Burkhalter wünscht, und auch mehr Vertrauen in der breiten Bevölkerung gewinnen. Um eine grössere Verantwortung für die Schweizer Aussenpolitik zu übernehmen, braucht es genau das.
Politische Verantwortung schultern
Spätestens seit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative ist dem Bundesrat die Deutungshoheit im Europa-Dossier entglitten. Zwar hat sich Burkhalter weiterhin klar für das zentrale europapolitische Anliegen der Schweiz – ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU – ausgesprochen. Aber innenpolitisch erodierte die Unterstützung. Ausser den Grünliberalen spricht sich keine Partei mehr klar dafür aus.
Burkhalters Nachfolger oder Nachfolgerin muss ihr Renommee nutzen, um die europapolitische Position in der eigenen Partei und im Parlament zu beeinflussen. Das heisst auch, mit Freude an der politischen Auseinandersetzung den Konflikt mit der eigenen Partei zu riskieren. Doris Leuthard tut dies immer wieder erfolgreich und bewegt so die politische Mitte.
Der Marktzugang, das Aufbrechen protektionistischer Kartelle – die liberalen Argumente sind auf der Seite des neuen Aussenministers. Seine Aufgabe ist nicht, abzuwarten bis die eigene Haltung populär wird, sondern einzustehen für die eigenen politischen Überzeugungen.

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