Cassis erhält einen Langzeit-Job
Der neue FDP-Bundesrat muss sich für längere Zeit im Aussendepartement einrichten. SP-Bundesrat Alain Berset bleibt trotz bürgerlicher Kritik für die Sozialpolitik zuständig.

Dem Vernehmen nach brauchte der Bundesrat gestern nur 20 Minuten, um sich über die Aufgabenverteilung im Gremium einig zu werden. Der neu gewählte FDP-Bundesrat Ignazio Cassis übernimmt das Aussendepartement (EDA) von seinem abtretenden Parteikollegen Didier Burkhalter. Cassis wäre von seinem Portfolio her aus Sicht vieler bürgerlicher Parlamentarier zwar prädestiniert gewesen, anstelle von Alain Berset das Innendepartement zu führen.
Cassis war zuletzt Präsident der gewichtigen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit, war früher im Vorstand der Ärzteverbindung FMH und bis jetzt Präsident des Kassenverbandes Curafutura. Und Berset werden seit einiger Zeit Wechselgelüste nachgesagt, doch war der Zeitpunkt für einen Weggang für ihn ungünstig. Zwei Tage vor dem Urnengang zur umstrittenen Reform der Altersvorsorge hätte ein Wechsel wie Fahnenflucht ausgesehen. Die SP-Spitze stellte in den letzten Tagen zudem klar, dass sie das Innendepartement um keinen Preis abgeben will.
«Vier bis sechs Jahre im EDA»
Allerdings zeigte auch die FDP, die Berset seit Monaten wegen der Rentenreform heftig kritisiert, wenig Interesse an einer Übernahme des Innendepartements durch Cassis. Vielmehr muss sich der Tessiner auf eine längere Zeit als Aussenminister einstellen, selbst wenn Berset die nächste Vakanz im Bundesrat nutzen sollte und das Innendepartement frei wird. «Das EDA beansprucht wohl fast die längste Einarbeitungszeit von allen Departementen», sagt FDP-Ständerat Andrea Caroni. Für ihn wäre es deshalb ungewöhnlich, wenn Cassis bereits in zwei Jahren bei einer Rochade das Departement wechseln würde. Caroni hätte sich Cassis gut im Innendepartement vorstellen können. Allerdings habe Cassis auch das «Flair und die Interessen» für das Aussendepartement.
Die Wirtschaft, die vor allem an stabilen Beziehungen zur EU interessiert ist, sieht das Aussendepartement als Langzeitaufgabe. Für Valentin Vogt, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, ergibt es keinen Sinn, das EDA lediglich als Zwischenstation zu betrachten. «Wir stehen in den Verhandlungen mit der EU in einer wichtigen Phase. Sein Departement sollte ein Bundesrat mindestens vier bis sechs Jahre behalten.»
Als Repräsentant der Schweiz im Ausland, so der Tenor unter befragten Parlamentariern, werde Cassis eine gute Figur machen. Gemessen wird der Tessiner vor allem an der Europapolitik. Die SVP erinnert Cassis mit Nachdruck an jene Versprechen, die er im Hearing der Volkspartei gemacht haben soll: einen Reset bei den Verhandlungen um den Rahmenvertrag mit der EU, keine fremden Richter, keine automatische Übernahme von EU-Recht. «Wir erwarten, dass der neue Aussenminister den Bundesrat von diesen Positionen überzeugt», sagt SVP-Präsident Albert Rösti.
«Der bilaterale Weg muss erhalten bleiben»
Die Erwartungen sind nicht nur bei der SVP gross. «Der bilaterale Weg muss erhalten bleiben», sagt CVP-Präsident Gerhard Pfister. Insofern sei es wichtig, dass das Aussendepartement weiterhin von einem Vertreter einer Partei geführt werde, die wie die CVP zum bilateralen Weg stehe. Cassis müsse darauf hinarbeiten, dass er im Bundesrat besser getragen werde als Burkhalter. «Nur so wird es ihm gelingen, in der Bevölkerung Akzeptanz zu schaffen für eine wie auch immer geartete Weiterentwicklung des bilateralen Wegs.»
Auch FDP-Präsidentin Petra Gössi setzt grosse Hoffnungen in Cassis. Sie spricht von einer «Chance für den bilateralen Weg». Im EDA sei Cassis am richtigen Ort, er spreche mehrere Sprachen und sei ein Brückenbauer. Dank seines Tessiner Charmes gelinge es ihm besser als anderen, «die Leute abzuholen».
Aussenpolitiker aus dem linken Lager verweisen darauf, dass Cassis die Europapolitik nicht in Eigenregie diktieren könne. «Entscheidend ist, dass nun alle Fakten auf den Tisch kommen und ehrlich diskutiert werden», sagt SP-Nationalrat Martin Naef. Cassis müsse den Dialog mit der Bevölkerung stärker suchen als Burkhalter. «Nur so kann es zu einer Deblockade im EU-Dossier kommen.»
Obwohl die Aussenpolitik in FDP-Hand bleibt, rückt die SVP etwas näher an das Europa- und das Asyldossier heran. Guy Parmelin wird neu Stellvertreter von Aussenminister Cassis, Ueli Maurer von Justizministerin Simonetta Sommaruga (SP). In der jüngeren Zeit kam es freilich nur einmal vor, dass eine Stellvertreterin einen Grosseinsatz zu leisten hatte: Als im September 2008 Finanzminister Hans-Rudolf Merz (FDP) schwer erkrankte, musste Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) einspringen. Wenige Tage später hatte sie in dieser Funktion die Rettung der taumelnden Grossbank UBS zu managen.
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