Die Krux mit der Fachkräfte-Initiative
Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (FDP) wird kritisiert, er tue zu wenig, um das Potenzial an inländischen Arbeitskräften auszuschöpfen. Wie plausibel ist der Vorwurf?

Seit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative gibt es nur einen Konsens: Jugendliche, Hausfrauen und Senioren müssen an die Arbeit. Eine Steilvorlage für den Wirtschaftsminister, um sich zu profilieren. Eigentlich. Stattdessen entwickelt sich die Förderung von Fachkräften für Johann Schneider-Ammann zur Last. Von Mitte-rechts bis links wird ihm Arbeitsverweigerung vorgeworfen. Es gebe zu viele Berichte und zu wenig Sofortmassnahmen. Und wenn Schneider-Ammann das Thema aktiv bewirtschaftet und wie gestern den Besuch in einem Pflegezentrum ankündigt, ist die Häme nicht weit: «Wirtschaftsminister JSA wird jetzt hyperaktiv in Sachen Fachkräfte-Initiative», twitterte Stefan Hostettler, stellvertretender Generalsekretär der SP. Der Bund lancierte die Fachkräfte-Initiative 2011, ursprünglich als Antwort auf den demografischen Wandel. Er ging davon aus, dass der Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung ab 2020 schrumpfen wird. Die alternde Gesellschaft ist kein Schweizer Phänomen, deshalb wollte sich der Bund nicht mehr allein auf die Zuwanderung verlassen. In einem Grundlagenbericht wird ein riesiges Potenzial bei erwerbslosen Jugendlichen, bei nicht erwerbstätigen Erwachsenen ohne Berufsbildung, bei Eltern mit Erziehungsaufgaben, Wiedereinsteigern sowie älteren Arbeitnehmer geortet. Wären 2009 nur 20 Prozent dieses Potenzials ausgeschöpft worden, wären der Wirtschaft 312'000 Vollzeitarbeitskräfte mehr zur Verfügung gestanden. Zum Vergleich: Im gleichen Jahr wanderten netto 74'600 Personen ein.