E-Auto-Fahrer als letzte Hoffnung
Der Bund hat grosse Mühe, eine Region für einen Versuch mit Mobility-Pricing zu finden. Der Verband Swisscleantech schlägt vor, auf freiwillige Probanden zu setzen. Die Idee ist umstritten.

Die Liste mit den Absagen wächst. Nach dem Kanton Bern sowie den Städten Bern und Zürich hat unlängst auch Rapperswil-Jona dem Bund einen Korb gegeben. Sie alle wollen sich nicht für einen Pilotversuch mit Mobility-Pricing zur Verfügung stellen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Moniert wird etwa, die Pläne des Bundesrats seien zu vage, man wolle keine Pendlerstrafe, zudem sei ungewiss, ob ein solcher Testlauf eine etwaige kommunale oder kantonale Volksabstimmung überstünde.
Die skizzierten Schwierigkeiten überraschen Nationalrat Jürg Grossen nicht: «Regionen als Pilotprojekte auszuscheiden ist politisch nicht machbar.» Der Grünliberale sitzt im Vorstand von Swisscleantech. Als der Bundesrat im letzten Sommer über die Möglichkeit von Pilotversuchen informierte, trat der Verband mit einer Alternative auf den Plan: Mobility-Pricing mit Elektrofahrzeugen zu testen.
Mittlerweile hat er ein zweistufiges Konzept ausgearbeitet. Im ersten Schritt erfasst und analysiert der Bund, auf welchen Strecken die E-Autos zu welchen Zeiten unterwegs sind; dazu braucht es ein repräsentatives Sample von Fahrern. Auswerten lässt sich das Mobilitätsverhalten, weil die E-Autos in der Regel mit GPS-Sensoren ausgestattet sind. Informationen sollen zudem anonymisierte Bewegungsdaten von Mobiltelefon-Anbietern liefern. Darauf aufbauend, kann der Bund festlegen, welche Strecken zu welcher Tageszeit wie viel kosten sollen.
Der Bundesrat rechnet bis im Jahr 2030 mit einer halben Million Elektroautos auf Schweizer Strassen.
Im zweiten Schritt wird der Test für die Probanden kostenpflichtig. Damit diese trotzdem teilnehmen, benötigen sie einen Anreiz. Einen solchen sieht Swisscleantech in der geplanten neuen Abgabe für Elektroautos, die der Bund nach dem Volks-Ja zum Strassenfonds NAF ab 2020 einführen will. Am Anfang soll sie pro Elektroauto durchschnittlich 370 Franken pro Jahr kosten. Swisscleantech rechnet damit, dass der Bund eine Pauschalabgabe erheben, also den notwendigen Anreiz liefern wird: Indem die Probanden dem Stau ausweichen oder weniger fahren, erwirken sie einen Bonus, den sie von der Pauschalabgabe abziehen dürfen. Verschiedene Bonusstufen sollen es ermöglichen, Informationen über die Preiselastizität zu gewinnen und damit die Tauglichkeit eines solchen Mobility-Pricing nachzuweisen.
Ob der Bund eine Pauschale oder eine kilometerabhängige Abgabe erheben wird, ist noch offen. Setzt sich Letzteres durch, würde der zweite Schritt im Swisscleantech-Modell hinfällig.
Swisscleantech sieht seinen Vorschlag als Rettungsversuch für ein Projekt, das ohnehin einen politisch schweren Stand hat. Doch auch die Variante des Verbandes, der sich als grüner Gegenentwurf zu Economiesuisse versteht, weckt Widerstand. Natalie Rickli (SVP), Präsidentin der nationalrätlichen Verkehrskommission, lehnt Mobility-Pricing grundsätzlich ab, weil die Umsetzung «nur mit staatlicher Überwachung möglich ist und für die Autofahrer teuer wird». Nationalrat Martin Candinas (CVP) ist offen für einen Versuch, aber: «Es muss von Anfang an klar zum Ausdruck kommen, dass alle Verkehrsträger betroffen sind.» Sonst erleide die Idee bereits im Pilotstadium sicher Schiffbruch. Das Uvek, das Departement von Verkehrsministerin Doris Leuthard (CVP), hält den Vorschlag von Swisscleantech ebenfalls für «nicht zielführend», da er auf ein Roadpricing hinausliefe. Dieser Ansicht ist auch Nationalrat Thierry Burkart (FDP). Zu einer reinen Bepreisung der Strasse gebe es schon genügend Beispiele über deren Wirkung, sagt der Verkehrspolitiker.
Sympathie im rot-grünen Lager
Swisscleantech kontert die Kritik: Die ÖV-Betreiber würden bereits heute an zeitabhängigen Tarifen arbeiten, sagt Geschäftsführer Christian Zeyer. Bei einer umfassenden Einführung von Mobility-Pricing könne der ÖV daher wohl recht schnell nachziehen. Zeyer verteidigt den Vorschlag seines Verbandes als praktikabel und kostengünstig: «Wir können Wirkungszusammenhänge studieren, ohne das ganze Verkehrssystem bereits umstellen zu müssen.»
Sympathie für den Vorschlag hegen einzig rot-grüne Politiker. Doch auch hier bestehen Zweifel. SP-Nationalrätin Evi Allemann sagt, ein Versuch bringe kaum repräsentative Aussagen, solange der Anteil der E-Autos so tief wie aktuell sei. Heute sind in der Schweiz rund 11'000 E-Fahrzeuge registriert, was deutlich unter 1 Prozent des Personenwagenbestands im Land ist.
Der Bundesrat rechnet mit einem schnellen Anstieg auf 560'000 Autos bis 2030. Angesichts dieser Entwicklung hält es Zeyer für realistisch, eine genügend grosse Zahl von Testfahrern zu finden, zumal Besitzer von E-Fahrzeugen «oft für Nachhaltigkeit sensibilisiert sind und etwas bewegen wollen».
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