Frauen in der Regierung: Die Schweiz im Vergleich
Im Bundesrat sitzen wohl bald wieder drei Frauen. An die internationale Spitze reicht es damit aber nicht: Neun Länder weisen einen höheren Frauenanteil auf.

In einer Woche entscheidet die Bundesversammlung, wer Doris Leuthard und Johann Schneider-Ammann im Bundesrat ersetzt. Und die Chancen stehen sehr gut, dass nach dem 5. Dezember wieder drei Frauen in der Regierung vertreten sind. Für den frei gewordenen FDP-Sitz kandidiert Ständerätin Karin Keller-Sutter, die gegenüber ihrem Ratskollegen Hans Wicki klar favorisiert ist. Die CVP setzt gar auf ein reines Frauenticket aus Nationalrätin Viola Amherd und der Urner Regierungsrätin Heidi Z'graggen.
Die Möglichkeit, dass doch noch jemand ausserhalb dieses Quartetts gewählt werden könnte, gilt als äusserst gering. Zusammen mit Simonetta Sommaruga würden zwei neue Bundesrätinnen dafür sorgen, dass der Frauenanteil in der Regierung gut 42 Prozent beträgt. Damit liegt die Schweiz im internationalen Vergleich ziemlich weit vorn, wie Zahlen des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen zeigen.
Lediglich 9 der ausgewählten Länder weisen einen höheren Frauenanteil auf, darunter Deutschland und Frankreich. In 33 Regierungen ist das Geschlechterverhältnis unausgewogener als in der Schweiz. US-Präsident Donald Trump etwa hat sein Kabinett nur zu gut einem Viertel mit Frauen besetzt. In einflussreichen Staaten wie Grossbritannien (Vereinigtes Königreich), China und Russland sind es noch deutlich weniger.
Der Durchschnitt der EU-Länder beträgt immerhin gut 30 Prozent. Eine Frauenmehrheit haben mit Spanien und Schweden aber nur gerade zwei Länder. Auch in der Schweiz waren die Frauen nach der Ersatzwahl von Simonetta Sommaruga 2010 einmal kurz in der Überzahl, bevor Alain Berset zwei Jahre später als Nachfolger von Micheline Calmy-Rey bestimmt wurde.

Seither erlebte die Schweiz aus Sicht der Frauen wieder einen Rückschritt: Ab 2012 waren noch drei von sieben Regierungsmitgliedern weiblich, nach dem Rücktritt von Eveline Widmer-Schlumpf 2015 nur noch zwei. Acht Jahre ist es nun her, seit die letzte Bundesrätin gewählt wurde. Nach Sommaruga schafften es nur Männer in die Regierung: Johann Schneider-Ammann, Alain Berset, Guy Parmelin, Ignazio Cassis.
Immerhin wurden mit Micheline Calmy-Rey (2011), Eveline Widmer-Schlumpf (2012), Simonetta Sommaruga (2015) und Doris Leuthard (2010, 2017) seither noch vier Frauen zur Bundespräsidentin gewählt. Anders als in den meisten anderen Ländern hat dieser Posten aber vor allem eine repräsentative Funktion. Zudem leitet die Präsidentin oder der Präsident die Bundesratssitzungen und hat bei Stimmengleichheit als Primus inter Pares (Erster unter Gleichen) das ausschlaggebende Votum.
Abgesehen vom Sonderfall Schweiz, die jedes Jahr eine neue Bundespräsidentin oder einen neuen Bundespräsidenten wählt, scheint es für Frauen schwierig zu sein, ganz nach oben zu kommen. Nur sechs der ausgewählten Länder haben eine Präsidentin oder Premierministerin: Deutschland (Angela Merkel), Grossbritannien (Theresa May), Rumänien, Island, Norwegen und Serbien.
Das deutsche Kabinett um Bundeskanzlerin Angela Merkel ist ohnehin ein spannendes Beispiel für eine westliche Regierung. Zwar ist sein Frauenanteil im internationalen Vergleich hoch, bei der Verteilung der Ministerien aber ist es nicht anders gelaufen als in vielen anderen Staaten.
Die Bundesministerien für Umwelt, Familie und Bildung werden in Deutschland allesamt von Frauen geführt. Das ist bezeichnend, wie eine Auswertung der UNO-Frauenrechtskommission von Anfang 2017 zeigt. Mit Abstand am meisten Frauen, die damals weltweit in Regierungen tätig waren, waren mit den Themen Umwelt, Energie, Soziales oder Familie betraut.
Dass die hierzulande abtretende Doris Leuthard das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation leitet, passt also zum internationalen Trend. Simonetta Sommarugas Justizdepartement ist hingegen nicht typisch weiblich, wenn man so etwas denn überhaupt sagen kann.
Die beiden aktuellen Bundesrätinnen gehören übrigens zu einer ganz kleinen Minderheit: Die Schweiz wurde bisher von 110 Männern und nur 7 Frauen regiert. Von allen Bundesräten seit dem Jahr 1848 waren also gerade einmal 6 Prozent weiblich.
Tatsächlich dauerte es 136 Jahre und 93 gewählte Bundesräte, bis es die erste Frau in die Regierung schaffte – Elisabeth Kopp im Jahr 1984. Die FDP-Vertreterin galt als bürgerliche Vorkämpferin für die Sache der Frau. In ihrer Amtszeit setzte sie etwa das neue partnerschaftliche Eherecht durch, das der damals aufstrebende Nationalrat Christoph Blocher verhindern wollte. 1989 wurde Kopp aber eine Affäre ihres Ehemanns zum Verhängnis, der in dubiose Geschäfte verwickelt war.

Es dauerte weitere neun Jahre, bis 1993 mit Ruth Dreifuss aus der SP die zweite Frau in die Schweizer Bundesregierung gewählt wurde. Seither gehörten nur fünf weitere Frauen dem Bundesrat an, inklusive den aktuellen zwei.
«Mittlerweile sollte jede und jeder verstanden haben, dass auch zwei Bundesrätinnen nicht reichen», sagte Babette Sigg Frank, die Präsidentin der CVP-Frauen, im Hinblick auf die Wahl am nächsten Mittwoch. Doris Fiala, ihr Pendant bei der FDP, ist gleicher Meinung: «Der gesellschaftliche Druck ist heute so gross, dass die Frauen wieder angemessen in der Regierung vertreten sind, dass das Parlament dies nicht ignorieren kann», liess sich die Chefin der FDP-Frauen zitieren. Allerdings seien sie auf den Goodwill der Männer angewiesen.
Denn selbst wenn alle Frauen im Parlament zusammenspannen, genügen ihre Stimmen nicht, um eine Frau in den Bundesrat zu wählen. Im Nationalrat liegt der Frauenanteil aktuell bei 32 Prozent, im Ständerat nur bei 15 Prozent.
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