Keine Lust auf eine Radikalkur
Das Volk will keine Einheitskasse, ein einziger, staatlicher Versicherer ist vielen suspekt. Trotzdem hat die Initiative den Kampf gegen unsoziale Praktiken der Krankenkassen gestärkt.
Zum vierten Mal in 20 Jahren lehnt das Volk die Einheitskasse ab. Das Nein zeigt, dass das Misstrauen gegenüber einem fiktiven staatlichen Krankenversicherer noch grösser ist als gegenüber den real existierenden Kassen. Viele ärgern sich zwar über Makleranrufe, hohe Prämien und die jährliche Suche nach einem günstigen Versicherer. Zumindest in der Deutschschweiz ist aber die Vorstellung, nur einer Kasse ausgeliefert zu sein, abschreckend genug, um am System festzuhalten. Die etatistischere Romandie sah das erwartungsgemäss etwas anders.
Die Initiative hatte aber ihr Gutes. Nur unter ihrem Eindruck waren bürgerliche Gesundheitspolitiker bereit, dem Bund mehr Kompetenzen zur Kassenaufsicht zu geben. Einmal mehr zeigte sich der Einfluss der Kassenlobbyisten auf die bürgerliche Gesundheitspolitik. Man mag der SP vorwerfen, die ständige Neuauflage der Einheitskasse sei Zwängerei. Leider zeigt das Aufsichtsgesetz, dass die Interessenvertreter die Auswüchse nur eindämmen, wenn ein Systemwechsel droht. Die Jagd nach guten Risiken wurde auch erst unter dem Druck früherer Einheitskassen-Initiativen als schädlich anerkannt. Das Parlament muss nun diese Risikoselektion endlich ganz unterbinden: Noch immer ist es den Kassen erlaubt, chronisch Kranke zu vertreiben, indem diese die Medikamentenkosten vorschiessen müssen.