Kleiner Vorteil für Inländer
Ständeräte wollen die SVP-Zuwanderungsinitiative mit einer Stellenmeldepflicht für Arbeitgeber umsetzen. Wie der Nationalrat wollen aber auch sie keinen Streit mit der EU.

Der Nationalrat hat im September klar gemacht, dass er das Personenfreizügigkeitsabkommen und die bilateralen Verträge mit der EU höher gewichtet als die Masseneinwanderungsinitiative, der das Volk am 9. Februar 2014 zustimmte. Diese will die Zuwanderung aus der EU wieder mit Kontingenten und Höchstzahlen steuern. Die grosse Kammer beschloss als einzige Massnahme zur Reduktion der Zuwanderung aus den EU- und Efta-Ländern einen «Inländervorrang light»: Der Bundesrat «kann» die Arbeitgeber verpflichten, ihre offenen Stellen den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zu melden.
Müller räumt ein, dass die Initiative so nicht vollständig umgesetzt würde
Die vorberatende Ständeratskommission will nun dem Inländervorrang mehr Leben einhauchen. Sie hat einem Konzept des Aargauer FDP-Ständerats Philipp Müller zugestimmt, das aus der Kannformulierung eine Stellenmeldepflicht macht. Falls bei bestimmten Berufsgruppen und Tätigkeitsbereichen die Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich ist, müssen die Arbeitgeber ihre Stellen vorab den RAV melden. Damit erhalten inländische Arbeitslose – Schweizer und bereits in der Schweiz lebende Ausländer – einen Vorsprung bei der Bewerbung. Zudem will die Ständeratskommission, dass Arbeitgeber die vom RAV vermittelten Bewerber zum Vorstellungsgespräch einladen. Falls die Arbeitgeber keinen dieser Arbeitslosen verpflichten, müssen sie dies begründen.
Müller: Nur einige 1000 Stellen
Laut Müller dürfen die Arbeitgeber keine «Floskelbegründungen» abliefern, sondern müssen die Absage auf den Einzelfall beziehen. Die RAV müssten den Arbeitgebern drei bis fünf Bewerber vermitteln, sagte Müller. Genau müsse dies der Bundesrat in der Verordnung festlegen. Mit der Beschränkung der Meldepflicht auf Berufsgruppen mit hoher Arbeitslosigkeit werde genau dort eingegriffen, wo durch die Zuwanderung Probleme entstünden, sagte Müller. Er geht davon aus, dass von der Meldepflicht jährlich einige tausend Stellen betroffen wären. Weiterhin ist es aber Arbeitgebern frei gestellt, ihre Stellen mit EU-Ausländern zu besetzen, falls sie die Bewerber des RAV nicht wollen.
Müllers Konzept erhielt in der staatspolitischen Kommission (SPK) mit 7 zu 6 Stimmen nur knapp den Vorzug gegenüber einem Vorschlag von CVP-Ständerat Pirmin Bischof (SO). Bischof will es wie der Nationalrat dem Bundesrat überlassen, ob er eine Meldepflicht einführt. Ein weiterer Unterschied zu Müllers Konzept ist, dass das Parlament bei schweren wirtschaftlichen Problemen weitere Massnahmen zur Reduktion der Zuwanderung beschliessen kann, ohne dass die EU ihr Einverständnis gibt. Diesen Vorschlag hatte CVP-Präsident Gerhard Pfister bereits im Nationalrat gemacht. Dieser lehnte unilaterale Massnahmen der Schweiz ab, weil Gegenmassnahmen der EU drohten. Zumindest wollte die grosse Kammer dem Bundesrat aber die Möglichkeit geben, mit der EU über solche Abhilfemassnahmen zu reden. Nach dem Konzept Müllers entfällt diese Möglichkeit.
Von der Stellenmeldepflicht befreit sind bei beiden Konzepten Arbeitgeber, die ohnehin einen Inländer anstellen wollen. Müller wie Bischof sehen Bussen bis zu 40'000 Franken für Arbeitgeber vor, die ihre Stellen nicht den RAV melden. Müller sieht solche Strafen auch vor, wenn Arbeitgeber der Pflicht zu Bewerbungsgesprächen und zur Begründung von Absagen nicht nachkommen. Sowohl Müller wie Bischof räumten ein, dass ihre Vorschläge des Inländervorrangs die Forderungen der Masseneinwanderungsinitiative nicht erfüllen. Der Erhalt der bilateralen Verträge sei höher zu gewichten, sagte Müller. Seine Lösung sei mit dem Freizügigkeitsabkommen gerade noch vereinbar. Bischof sieht sein Konzept näher beim Text der SVP-Initiative. Die CVP wolle kein Vetorecht der EU für Abhilfemassnahmen, sagte Bischof. Die Schweiz habe mehr Spielraum gegenüber der EU als die SPK-Mehrheit glaube. Der Kanton Genf habe für seine Staatsbetriebe einen weitergehenden Inländervorrang eingeführt, ohne dass die EU interveniert habe. Laut Müller hat die EU aber klargemacht, dass sie eine solche Lösung für die ganze Schweiz niemals akzeptiere.
Der Ständerat berät in der Dezembersession über die Umsetzung der SVP-Initiative. Beide Kammern müssen im Dezember die Vorlage definitiv bereinigen.
Föhn von der Rolle
Chancenlos war in der SPK ein Antrag von SVP-Ständerat Peter Föhn, die Masseneinwanderungsinitiative wortgetreu umzusetzen. Föhn, der gleichzeitig Kommissionspräsident ist, begründete seinen Antrag damit, dass er die Anliegen seines Standes Schwyz vertreten müsse. Sein Kanton habe der Initiative mit Zweidrittelmehrheit zugestimmt. Allerdings strapazierte Föhn seine übergeordnete Rolle als SPK-Präsident an der gestrigen Medienorientierung. So beliess er es nicht bei der Begründung seines Antrags, sondern kritisierte die Beschlüsse der Kommission heftig. Es mache ihn «zutiefst traurig», dass der Volkswille derart missachtet werde. Zudem stellte Föhn die falsche Behauptung auf, dass, falls er seine Möbelfabrik im Muotatal seinem Sohn übergeben wolle, er dies künftig begründen müsse.
(Tages-Anzeiger)
Erstellt: 07.11.2016, 23:15 Uhr
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